H o m e H e l p

VON MITTENWALD NACH MADRID

von Alfred Wilhelm Alfons MENZELL

geschrieben in Madrid, im Winter 1946

Wir waren in Dachau, Karlos und ich, mit einer großen Lust endlich wieder nach Hause, nach Madrid zurückzukehren, aber allzu viel war da, was uns diese Rückkehr, wenn auch letzten Endes nicht unmöglich, so doch äußerst schwierig machte. Das ganze Erlebnis spielte sich also folgendermaßen ab:

Am 18. Februar 1946 verließen Karlos und ich das Haus unserer Familie in Dachau und siedelten, als Spanier getarnt in die damalige deutsche Funkkaserne in München um, die inzwischen als UNRRA-Lager eingerichtet worden war. Mit viel Herzklopfen und falschen Papieren betraten wir diese Kaserne, mit der Absicht uns einem nach Spanien gehörenden Rücktransport anzuschließen. Wir hatten auch Glück, denn mit der freundlichen Hilfe des spanischen Lagerführers gelang es uns, in die Listen aufgenommen und im Ausländerlager untergebracht zu werden. Als wir im Lager ankamen hieß es wir seien gerade zur rechten Zeit gekommen, denn der nächste Transport nach Spanien ginge in spätestens zwei Wochen ab.

Wir wurden in diesem Lager in einem Zimmer untergebracht, das etwa 8 Qm groß war und hausten darin mit Frauen, Kindern, Alten und Jungen zusammen. Alles in allem ein toller Betrieb.

Tatsache ist, dass etwa 10 Tage nach unserem Eintreffen in diesem Lager, der Transport wirklich zusammengestellt wurde und der Tag der Abreise bevorstand. An einem saukalten Vormittag standen plötzlich eine Anzahl Lastautos vor dem Gebäude, die uns und das Gepäck an den Zug bringen sollten. Es ging los. Der Zug in dem wir verstaut wurden, war ein Güterzug mit etwa 25 Waggons, in jeden Wagen kamen etwa 25 Personen mit ihrem Gepäck. Da es saukalt war, bekam jeder Waggon einen Ofen und etwas Kohle und an Verpflegung wurde für je zwei Personen ein Paket Kaltverpflegung ausgegeben, wie sie die amerikanische Armee gebrauchte.

Nachdem die Waggons voll waren, fuhren in dem Transport: Spanier, darunter einige wie wir, dazu Türken, Italiener und Griechen. Also ziemlich international. Etwa gegen Mittag ging es endlich los, in einem erschütternd langsamen Tempo. Gestört wurde die Fahrt sonst durch nichts und gegen Abend, es war etwa 8 Uhr, kamen wir am deutsch-österreichischen Grenzbahnhof Mittenwald an. Dort angekommen, wurden die Türken und die Griechen ausgeladen, da sie noch auf Nachschub in einem dortigen UNRRA-Lager warten sollten. Wir, also Spanier und Italiener, blieben in dem Wagen, um am nächsten Morgen die Reise Richtung Italien fortzusetzen. Es ging etwa um 11 Uhr von Mittenwald weg und ohne irgendwelche Kontrolle seitens der französischen Besatzungsbehörden in Österreich fuhren wir in dem uns gewohnten Tempo bis an den Brennerpass.

Die Freude, als wir den italienischen Bahnhof am Brenner' erreichten war riesengroß, wir wähnten uns schon so ungefähr zu Hause. Ein italienischer Geistlicher kam mit Gehilfen an unseren Wagen und reichte allen Brote mit Belag und Apfelsinen, die uns mächtig an die Heimat erinnerten.

Dann allerdings kam die Enttäuschung viel ärger. Es kamen italienische Zollbeamte in den Waggon, um den Transportbefehl und die Papiere zu prüfen und das dauerte schon ewig lange und mit keinem Ausweis waren sie recht zufrieden, so dass uns schon eine kleine Sorge befiel, wie das wohl weitergehen würde. Plötzlich brachen die Italiener die Kontrolle bei uns ab und kümmerten sich ausschließlich um die Ausweise ihrer Volksgenossen. Bei denen ging alles sehr rasch und sie durften den Zug verlassen. Wir sahen auch gleich warum mit den italienischen Rückwanderern so eilig verfahren wurde, denn Augenblicke später wurden die in einen bereitstehenden Zug geführt und fuhren weiter in ihre Heimat hinein.

Und wir warteten. Wir fragten die Carabinieri was mit uns los sei und die schüttelten bloß mitleidig den Kopf und sagten unsere Papiere seien wohl nicht ganz in Ordnung. So war es denn auch. Etwa gegen acht Uhr abends kam unserer Transportleiter mit dem italienischen Beamten der Grenzkontrolle wieder und erklärte uns, wir dürften nicht weiterfahren, da unsere Durchreiseerlaubnis durch Italien nicht in Ordnung sei, wir müssten erst mal wieder nach Deutschland zurück.

Sagen tat kaum einer was, höchstens fluchen, und die meisten dachten nur. Im Übrigen ließ man uns auch gar nicht lange Zeit zum Nachdenken, denn man spannte kurz und bündig eine Lokomotive vor unseren nunmehr kleinen Transport und los ging es. Leider wieder in der Richtung aus der wir gekommen waren.

Bis Innsbruck kamen wir unbelästigt, dort jedoch gab es einen längeren Aufenthalt, denn die Franzosen interessierten sich nun schon etwas mehr für uns. Sie prüften unsere Papiere, hatten aber nichts weiter daran auszusetzen und ließen uns zu unserem Erstaunen und unserer Sorge den Waggon verlassen. Manche dachten schon, wir würden gleich in ein Sammellager gebracht. Zum Glück hatten wir uns getäuscht.

Wir wurden, statt in ein Sammellager, in ein Hotel geführt, in dem die Offiziere der französischen Besatzungsarmee untergebracht waren. Dort mussten wir uns in den Speisesaal begeben, wo wir an verschiedenen kleinen Tischen Platz nahmen und der Dinge harrten, die nun kommen sollten. Sie kamen, und zwar in Form eines fabelhaften Abendessens, bestehend aus einer Suppe, dann Nudeln mit viel Fleisch und zum Abschluss Brote mit Käse. Dazu gab es Kakao zu trinken. Ich muss gestehen wir waren platt. Wir hatten mit Einsperren und ähnlichen Dingen gerechnet und wurden nun mit einem so üppigen Abendessen bewirtet.

Und das von den Franzosen.! Einige von uns, die kleine Leiden hatten, wurden sogar behandelt und notdürftig geheilt. Abends um l2 Uhr etwa konnten wir wieder in unsere Waggons gehen, wo wir nun allerdings die Nacht verbringen mussten. Wir lebten nun schon zwei Tage und zwei Nächte in diesen Wagen. An nächsten Morgen wurde nun wieder eine Maschine vor unsere Wagen gespannt und die Reise ging weiter, wieder nach Mittenwald zu. Gegen Mittag kamen wir dort an, brauchten lange Stunden für eine Strecke von etwa 50 Km.

In Mittenwald angekommen, bekamen wir Order, die Waggons nicht zu verlassen, denn unsere Papiere sollten in wenigen Stunden geregelt werden. So war es auch und zu unserem Erstaunen und unserer großen Freude ging es am Nachmittag wieder gen Süden, der italienischen Grenze zu. Auch dieses Mal wurden wir von den Franzosen in keiner Weise belästigt und kamen etwa gegen fünf Uhr nachmittags an der Grenzstation, Brenner, an. Vorsichtshalber verhielten wir uns diesmal stiller, denn wir trauten dem Frieden nicht recht und, wie wir bald sahen, mit Recht, denn die Beamten sahen uns wieder mit kritischen Augen an und meinten, wir würden wohl auch mit diesen Papieren nicht die Erlaubnis erhalten, die Reise fortzusetzen. Und so war es denn auch. Der italienische Grenzbevollmächtigte erklärte, unsere Papiere seien keinesfalls ausreichend und wir müssten wieder nach Deutschland zurück. Unser Transportleiter telefonierte sogar mit dem englischen Befehlshaber des nächsten größeren Ortes, um von ihm die Genehmigung zur Weiterreise zu erhalten, aber die Sache wurde von dem Italiener verdorben, der erklärte, wir wo11ten illegal über die Grenze und hätten ungenügende Papiere. Der Engländer lehnte daraufhin jegliche Hilfe ab.

Da nun vorerst keine Lokomotive zur Verfügung stand, die uns hätte nach Mittenwald zurückführen können, wurden wir mit unseren Waggons auf ein Nebengleis gefahren, wo wir liegen blieben. Eine Bewachung schien man nicht für nötig zu halten und sie war es wohl auch nicht, denn es kam keiner auf den Gedanken auf eigene Faust den Weitermarsch zu versuchen.

Wäre Sommer gewesen, hätte vielleicht doch der Eine oder Andere sich die Sache überlegt, aber da es strenger Winter war und der Schnee am Brenner über einen Meter hoch lag, sah jeder ein, dass es keinen Sinn hatte, so ohne jede Vorbereitung loszuziehen.

Also liefen wir auf dem Bahnsteig umher oder verkrochen uns, wenn es uns zu kalt wurde in den Wagen und warteten auf das Unvermeidliche. Es kam dann auch morgens gegen zehn Uhr. Eine Maschine wurde vor unsere Waggons gespannt und erneut ging die Reise los, auch diesmal wieder gen Norden. Einige Frauen weinten vor Ärger und wir fluchten auf den italienischen Grenzbeamten. Allerdings gaben wir das Ärgern bald auf, denn es führte doch zu nichts.

Gegen Mittag kamen wir in Innsbruck an, wo es eine längere Wartezeit am Bahnhof gab, die Franzosen hatten es nämlich satt, dass immer wieder unser Zug den Verkehr auf der Linie zum Stocken brachte, denn wir mussten ja als Sonderzug losgeschickt werden. Sie entschlossen sich nach geraumer Zeit, uns nicht nach Mittenwald zu schicken, sondern uns nach Kufstein zu transportieren, wo wir diesmal über die Grenze nach Deutschland sollten. In Kufstein kamen wir am späten Nachmittag an und den Bemühungen unseres Transportleiters gelang es, die UNRRA dazu zu bewegen, uns ein kleines, aus einer Suppe bestehendes Essen zu geben. Wir hatten inzwischen schon lange unsere mitgenommene Verpflegung aufgegessen und hatten einen tollen Hunger.

Sonst bemühte man sich aber nicht weiter um uns und die Franzosen schienen es auch gar nicht eilig zu haben, uns über die Grenze zu schicken. Wieder eine ganze Nacht mussten wir in unseren Waggons bleiben, wir bekamen sogar eine Bewachung, damit keiner Reißaus nahm. Sollten wir einmal in das Bahnhofsgebäude, um eine gewisse Einrichtung zu besuchen, so mussten wir unter Bewachung hin. Nette Zustände. An nächsten Vormittag nun sagten uns die Franzosen, über die Grenze könnten wir bei Kufstein nicht und erst nach langem Palaver erreichte unser Leiter, dass wir wieder nach Innsbruck zurückfahren konnten, um doch nach Mittenwald zu gelangen. In Innsbruck hatte es sich inzwischen rumgesprochen, dass wir im Transport Leute von der Blauen Division hätten, so dass man uns nicht gerade mit viel Freundlichkeit begegnete. Wenn die armen Irren gewusst hätten, dass etwa 6 Leute unter uns waren, die eigentlich Deutsche und zu allem Überfluss noch Soldaten gewesen waren, ich glaube sie wären in die Luft gegangen. Wir hatten aber besseres zu tun, als ihnen das zu erzählen. Die Bewachung, bestehend aus österreichischer Polizei, wich nun auch während der Fahrt nicht von unserer Seite.

Trotzdem bekamen wir noch auf den Innsbrucker Bahnhof ein warmes Essen und Brot mit Käse, so dass der Hunger notdürftig gestillt werden konnte.

Nachmittags um fünf gab man endlich die Erlaubnis, die Fahrt fortzusetzen und es ging wieder nach Mittenwald zu. Abends um sieben passierten wir ohne Zwischenfälle die Grenze, die Franzosen hatten sogar etwas Humor, indem sie sagten, sie erwarteten uns am nächsten Tag wieder. Schön wäre es gewesen, aber es hat nicht sollen sein. Halb acht Uhr abends machte unsere kleine Karawane am Mittenwalder Bahnhof halt. Auch hier lag der Schnee noch gut einen Meter hoch und es herrschte eine Saukälte. Es war der Abend vom 2. März.

Wir hatten also inzwischen fünf Tage in den Waggons gehaust, denn gewohnt kann man ja wirklich nicht sagen. Fünf Tage lang zu 25 Mann hoch, mit ziemlich viel Gepäck in so einen kleinen Raum ist beileibe kein Vergnügen. Wir sahen aus wie die Schweine, wie gänzlich vergammelte Menschen.

Nun bekamen wir Order, die Waggons zu verlassen, denn wir sollten in das UNRRA- Lager transportiert werden, um dort etwa drei oder vier Tage zu warten, bis unsere Papiere in Ordnung gebracht würden. So sagte man uns.

Wie es aber kam, war ganz anders.

Wir verließen also unseren treuen Wagen und brachten unser Gepäck auf den Bahnsteig, wo wir warten sollten, bis uns ein Lastauto abholte, das uns in mehreren Fahrten mit Gepäck in das Lager bringen sollte. Unsere gute Laune hatte sich inzwischen wieder eingestellt und wir unterhielten uns, der Kälte ungeachtet ganz gut, oder besser so gut es ging. Endlich kam dann auch der Wagen, ein kleines ziemlich verrottetes Biest. Die Weiblichkeit und ein Teil des Gepäcks wurden zuerst verstaut und schoben ab, in Richtung der Kaserne, früher eine Pionierkaserne der Wehrmacht, die jetzt als UNRRA-Lager eingerichtet werden sollte.

Als nun alles Gepäck und bis auf zehn Mann alle Beteiligten ins Lager transportiert worden waren, hatte der Fahrer des Wagens keine Lust mehr und erklärte uns letzten armen Lumpen, die wir am längsten im Schnee gefroren hatten, dass wir zu Fuß ins Lager gehen sollten. Aber alles Schimpfen nützte nichts und so machten wir uns durch den Schnee auf den etwa 3 Km langen Weg. Es war inzwischen zehn Uhr und stockdunkel.

Bueno, wir zogen also durchs Dorf und los zum Lager. Auf dem Weg fanden wir noch eine offene Gaststätte und da wir einen Mordsdurst und noch viel Zeit hatten, dieweil man uns schnöde verlassen hatte, genehmigten wir uns noch ein Bier. Von den Zurückgebliebenen waren fünf von uns immerhin Deutsche und fünf Spanier und es ging bei unserem sehr bescheidenen Saufgelage immerhin recht hoch her. Um elf Uhr entschlossen wir uns dann doch, bessere Gegenden aufzusuchen und machten uns erneut auf den Weg.

Vollkommen durchgefroren waren wir dann gegen zwölf glücklich im Lager angelangt und hatten gehofft, uns würden nun wenigstens einigermaßen manierliche Unterkünfte angeboten werden, aber Pustekuchen! Wir wurden in den völlig leeren Zimmern der Kaserne einquartiert und bekamen lediglich drei Decken zugeteilt.

Die besseren Behausungen hatten natürlich die vor uns nach Mittenwald gekommenen Türken und Griechen beschlagnahmt, so dass wir uns mit dem Übriggebliebenen behelfen mussten.

Auf den Fußboden wurde also eine Decke ausgebreitet und darauf legten wir uns zur Ruhe nieder und das nach fünf Tagen Bahnfahrt solcher Güte! Wenigstens aber gab es hier regelmäßig und ziemlich gut zu essen, so dass wir einen Trost in unserer nicht gerade begeisternden Lage hatten.

Wenn wir nun gehofft hatten, dass sich das Ganze im Laufe des nächsten Tages

bessern würde, so hatten wir uns ganz gewaltig getäuscht, denn der Betrieb ging weiter und zwar wohnten wir in diesen kahlen Zimmern und schliefen auf dem Boden drei ganze Wochen lang. Für die Frauen und die kleinen Kinder war das natürlich eine besonders scheußliche Lage. Dann endlich, nach drei Wochen, bekamen wir den Befehl unseren Block (Gebäude in dem wir wohnten) zu verlassen und mussten in ein anderes umziehen. Zunächst sah die Sache damit nicht besonders besser aus, aber dann entdeckten wir, dass in einem der vielen Schuppen die zur Kaserne gehörten, Betten standen, die zum Inventar der Kaserne gehört hatten und wir nicht faul, bemächtigten uns sogleich dieser Gegenstände, um sie auf unser Zimmer zu transportieren. Auch Tische und Stühle konnten wir auftreiben, so dass wir es uns langsam so komfortabel wie möglich einrichteten.

Wir waren also wie gesagt schon drei Wochen im UNRRA-Lager, somit hatten sich die drei Tage die man uns vorausgesagt hatte ziemlich verwandelt. Und wir armen Irren ahnten ja nicht, wie lange es noch so weitergehen sollte.

Als wir uns nun gerade so einigermaßen eingerichtet hatten, kam wieder der Befehl, unser Block sollte geräumt werden, und wir durften erneut umziehen. Dies wiederholte sich noch zwei mal, bis wir endlich endgültig in Block Nr.2 unterkamen, der der spanische Block werden sollte. In diesem Gebäude blieben die Spanier und die sogenannten bis - nun das kann ich nicht sagen, denn als ich endgültig Mittenwald den Rücken kehrte, verblieben immer noch über dreihundert Spanier und darunter viele Deutsche so wie ich, in dem selben Block. Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir eine Gruppe von etwa 70, aber mit der Zeit bekamen viele Spanier und solche die es nicht oder nur so waren wie Karlos und ich Wind von unserem Lager und nun trafen fast täglich neue Leute ein, die in das Lager aufgenommen wurden. Ich bin mir dabei nicht ganz klar, ob die Herren Amerikaner so dumm waren, nicht zu bemerken, dass sehr viele Deutsche unter den Spaniern sich befanden oder ob sie sich nur so stellten. Tatsache ist, dass mit der Zeit die Zahl der Deutschen fast so groß war wie die der reinen Spanier. Allerdings waren wir Deutschen alle in Spanien ansässig und hatten unsere Familien in Spanien, so dass es durchaus verständlich war, dass alles zur Repatriierung, wie es hieß in dies Lager drängte. Auch hatte die Sache ihre Nachteile, die darin beruhten, dass die Aussichten, bald loszufahren bei dem Andrang immer kleiner wurden, da die neu angekommenen nicht registriert waren und keine Erlaubnis hatten nach Spanien zu fahren.

Nach langer zeit endlich regte sich in unsrer Frage etwas, es hieß dass zwei spanische Diplomaten aus Paris ins Lager kommen sollten, um uns zu registrieren und für die Heimreise, denn die war es doch für alle, ob Spanier oder Deutsche, die Papiere zu regeln. Und sie kamen auch, die beiden Herren, mit viel Versprechungen, die leider nachher nicht ganz gehalten wurden, denn es wurden zu guter letzt nur die richtigen Spanier repatriiert und mit ihnen wenige von uns, die gute Papiere hatten und als Spanier mit durchschlüpften. Mittenwald, dieser kleine Ort in den Alpen war eigentlich das Schönste, was man sich denken kann, im Tal gelegen war er von den hohen Bergen umrahmt, namentlich vom Karwendel- und Wettersteingebirge und in der Nähe des Ortes waren einige herrliche Seen, der Lautersee und der Ferchensee und außerdem der viele Wald, den es ja nirgends so schön gibt wie in Deutschland. Wir hatten dazu einen herrlichen Frühling, so dass die erste Zeit eigentlich eine richtige Erholung war.

Wir trieben Sport in der Halle der Kaserne, in der noch die Turngeräte zum Teil vorhanden waren und machten ausgedehnte Spaziergänge, die darin gipfelten, dass wir mit einigen Freunden das Wettersteingebirge bestiegen, bis auf die Westliche Karwendelspitze, die etwa 2500 m hoch ist. Von oben hatte man eine Aussicht auf das ganze Gebirge.

Die schneebedeckten Berge boten ein wahrhaft wunderbares Bild. So sieht man, dass unser Mittenwalder Aufenthalt auch seine schönen Seiten hatte.

Alle unsere Hoffnungen, auf eine baldige Abreise hatten wir mit der Zeit begrabe und taten recht daran, denn es geschah praktisch nichts. Im Laufe der Monate waren wie gesagt viele Leute gekommen, die auch nach Spanien zurück wollten, unter ihren eine Menge Bekannte und Freunde von uns, Heika und Wilhelm, als die bekanntesten. Trotzdem wir mehr als nötig Zeit hatten, lebte in uns eine große Ungeduld, denn wir hatten das Gefühl irgendwas zu versäumen und unser größter Wunsch, endlich nach Hause zurückzukehren, rückte in immer weitere Ferne.

Um nicht ganz nutzlos unsere Zeit zu verbringen, hatten wir uns allerlei Arbeiten ausgesucht, so war ich etwa drei Monate bei der Lagerpolizei und machte dort Wachdienst. Der einzige Verdienst, den man bei der Tätigkeit hatte, waren Zigaretten, von denen ich für jeden Tag zehn bekam. So komisch das klingt, waren diese Zigaretten doch sehr wichtig, denn man konnte vieles damit anfangen: erstens sie selber rauchen, was wir auch viel taten, dann aber konnte man wunderbare Tauschgeschäfte machen und sich Lebensmittel dadurch beschaffen, die man sonst nicht zu Gesicht bekam, wenigstens nicht im Lager, wo wir, wenn auch gut, so doch fast nur durch Konservendosen ernährt wurden. Aber auch mit anderen Dingen wurde lebhafter Tauschhandel betrieben, nur mit Geld konnte man nicht viel anfangen, außer das Kino bezahlen, in das man wöchentlich ging, egal was für ein Film, nur um die Zeit totzuschlagen.

Das Wetter war so schön und die Temperatur so warm, dass wir an den Lautersee wanderten und ihn zu unserer Badeanstalt machten. Es lagen am See auch noch einige Pontons und Landungsbootähnliche Fahrzeuge, die wir zu Ruderpartien über den See benutzten. Ein Spanier und ich kamen sogar auf den ausgefallenen Gedanken eine Segelpartie zu veranstalten, indem wir aus einer Decke ein Segel machten mit dem es sich bei Rückenwind ganz gut segeln ließ.

Man könnte also sagen, dass das ganze ein netter Ferienaufenthalt sei, aber uns war nicht danach, wenn man auch zugeben muss, dass wir das Schöne so gut es ging ausnützten. Als unsere Geduld bei einem sehr regnerischen Tage endlich ganz zu Ende war, traten wir zu ernsten Beratung zusammen. Wir hatten uns schon manchmal Gedanken gemacht, ob es nicht doch möglich sei, auf eigene Faust den Heimweg anzutreten, aber der Plan wurde immer wieder zurückgestellt, weil man uns sagte, es müsse jeden Augenblick die Erlaubnis zur Heimreise eintreffen. Aber nun wurde es uns zu bunt. Wilhelm Rödinger, Karlos und ich beschlossen unsere Flucht und unseren Marsch quer über die Alpen vorzubereiten.

Wir organisierten uns strapazierfähige Stiefel und fingen an Lebensmittel zu hamstern, um für den Spaziergang gerüstet zu sein.

Wilhelm setzte sich mit einem deutschen Grenzposten in Verbindung, der ihm die beste Möglichkeit und Uhrzeit sagte, um über die Grenze zu kommen. Außerdem gelang es Wilhelm eine Verbindung in Innsbruck aufzufinden, die uns dann weiter beraten sollte. Als unser Plan nun soweit gediehen war, setzten wir den Tag fest, an dem es losgehen sollte. Es sollte am vierzehnten Juli losgehen, alleine, ohne einen Führer. Wie schon manches Mal während unserer Mittenwalder Zeit fuhr ich nun noch einmal nach München, um unsere Familie von unserem Vorhaben zu unterrichten. Auf besondere Begeisterung stieß ich aber in Dachau nicht, die Familie erklärte, sie erlaube unser Unternehmen von sich aus nicht,

sie könnten uns aber nicht zurückhalten und so seien wir, ich als Ältester

insbesondere, allein verantwortlich.

Nun, ich ließ mich aber nicht schrecken und unser Plan wurde zur Wirk1ichkeit. Um noch eine Rückendeckung für den Fall des Misslingens zu haben, sagten wir im Lager lediglich, wir wollten nach Düsseldorf verreisen um unsere Papiere zu regeln und baten bei der Lagerleitung um einen Urlaub von einer Woche, was noch den Vorteil hatte, dass wir für diese Zeit einen guten Marschproviant bekamen, der uns sehr wertvoll sein sollte.

Da wir auch für den Fall der Fälle als Spanier gelten wollten, legten wir alle Papiere, die noch irgendwie nach deutsch rochen ab, und nahmen als einziges Dokument unsere von den Eltern geschickte Taufurkunden mit, die auf spanisch verfasst waren.

Am frühen Morgen des 14. Juli ging es also los. Es war etwa sechs Uhr und wir marschierten durch das noch ruhige Dorf, jeder mit seinem Gepäck, zwei hatten Rucksäcke und einer eine Aktentasche. Schon jetzt mussten wir sehr aufpassen, denn jedem Zollbeamten dem wir begegneten, mussten wir verdächtig sein, denn wer geht schon um diese Stunde mit Gepäck solcher Art in Richtung der Grenze? Es passierte aber nichts. Nicht umsonst hatte Wilhelm sich bei seinem Freund dem Grenzer nach den Wachzeiten erkundigt. Wir kamen also durch das Dorf und verschwanden im dichten Wald. Der, der die Tasche trug ging voran, um den Weg zu beobachten die anderen beiden hinterher, mit etwa zehn Metern Abstand.

Es gab von Mittenwald aus drei Wege, um nach Österreich zu gelangen, der eine wäre über das Wettersteingebirge gewesen, was aber eine gute Ausrüstung verlangt hätte und mit noch größerem Risiko als auf anderem Wege verbunden gewesen wäre. Der zweite Weg wäre die Bahnlinie gewesen,

die das Scharnitztal entlang nach Scharnitz führte, der österreichischen Grenzstation. Dieser Weg schien uns aber am meisten bewacht, so dass wir uns entschlossen, den letzten, der allerdings beschwerlicher war, zu benutzen. Dieser Weg führte das Leutaschtal entlang. Wir bogen also von Mittenwald rechts ab, um zu der engen Schlucht zu kommen, die in das Leutaschtal führte. Eigentlich wäre dieser Durchgang sehr leicht zu bewachen gewesen, aber da wir die Zeiten der Patrouillen der deutschen Grenzer wussten, wurden wir vorerst nicht gestört.

So kamen wir denn mit viel Vorsicht bis an die Stelle wo an der Strasse das österreichische Zollhaus lag. Dort durften wir uns natürlich nicht blicken lassen und so hatten wir uns ganz am Rande des Berges gehalten, etwa zweihundert Meter oberhalb der Strasse. Trotzdem kamen wir an eine sehr brenzlige Stelle. Beiderseits des Zollhauses, war nämlich der Wald gerodet worden, um die Sicht nach links und nach rechts frei zu machen und es zog sich also ein fast völlig 1ichter Streifen beim Zollhaus durch das Tal. Diese lichte Stelle musste nun auf jeden Fall überquert werden. Wir setzten uns also erst mal zum Beraten an den Waldrand unter dem Schutz der Bäume. Wir berieten allerdings nicht lange, denn es gab eigentlich nur einen Entschluss, nämlich die Lichtung im Laufschritt zu überqueren. Ich nahm nun die Tasche in die Hand, um als erster den Übergang bzw. den Überlauf zu wagen, wir würden ja sehen was passierte.

Ich nahm also mein bisschen Mut zusammen und lief los. Unter stolpern und fallen kam ich auch nach kurzem Hasten drüben an und wetzte in den Wald , wo ich mich erst mal auf den Boden warf, um die Umgebung zu beobachten. Nichts rührte sich und so stellte ich mich hinter einen Baum, um Karlos und Wilhelm das verabredete Zeichen zum loslaufen zu geben. En dauerte geraume Zeit bis sie mich sahen und dann liefen sie beide auf einmal wie die Wilden los, so dass sie nach einer Minute neben mir lagen.

Jetzt verschnauften wir und überlegten wie das weitergehen sollte. Um uns nun keinen unnützen Gefahren auszusetzen entdeckt zu werden, beschlossen wir auch weiterhin am Hang des Berges zu wandern und nach kurzer Pause ging der Marsch weiter. Ein Vergnügen war es nicht, denn es gab sehr dichtes Unterholz und der Hang hatte eine Steigung von gut 45 Grad, manchmal sogar noch mehr, so dass wir uns an den Bäumen weiterhanteln mussten. Nachdem wir etwa einen Km hinter dem Zollhaus waren, wagen wir weiter hinunter, um besser vorwärts zu kommen, denn so war es ein Schneckentempo zu dem wir gezwungen waren. Wir mussten auch viele Pausen einlegen, denn die Kraft und die Luft ging und laufend aus. Wir gingen also weiter, bis zu der Stelle, an der sich das Tal erweiterte und wo ein kleiner Bach bis an den Wald herankam. Dort machten wir eine längere Pause, aßen und tranken und badeten unsere Füße in dem kalten Wasser des Baches. Wir hatten ein großes Plus bei unserer Wanderung, wenn man es so bezeichnen will , denn wir hatten zum losziehen einen Sonntag erwählt und daher kam es, dass auf den Feldern keine Bauern waren, die uns hätten etwa hindern oder gar verraten können. Wir sahen nur auf der Strasse einige Fußgänger, Autos und Fahrräder, sonst auf den Feldern keine Seele. So ging unser Marsch nun weiter das Tal entlang. Wir sahen bald, dass wir die beste Seite des Tales erwählt hatten, denn an der andren lagen mehrere kleine Dörfer, die uns aber auf die Entfernung nicht gefährlich werden konnten. Das erste Dorf das wir betreten und durch das wir hindurch wollten war das Dorf Obergasse, bei dem sich das Tal verzweigte, einmal nach Süden zum Inn hin und durch und dann nach Osten nach Seefeld zu, der zweiten Bahnstation auf österreichischem Boden, die Station, wo wir den Zug nehmen wollten. Wir kam nach ziemlichen Strapazen auch glücklich bis Obergasse, wo wir den ersten Schreck bekamen und zwar in verdoppelter Ausgabe. Kaum waren wir nämlich bei den ersten Bauernhäusern angelangt, als aus einem, derselben eine Frau gestürmt kam, die auf uns zulief und uns fragte ob wir denn von Mittenwald kämen!! Na, wir meinten so harmlos auszusehen und nun sah man uns an der Nasenspitze an, dass wir über die Grenze gekommen waren. Wir verneinten natürlich zuerst mit ernstestem Gesicht, aber es nützte nichts und als wir dann doch erzählten, hatten wir dadurch wenigstens den Vorteil, dass wir ein Stück Seife verkaufen konnten, wodurch wir erst mal das nötige Reisegeld bis Innsbruck bekamen. Wir verabschiedeten uns nun von der Frau und zogen weiter. Kaum waren wir aber um die nächste Straßenecke rum, als wir mit der Nase auf die französische Gendarmeriestation stießen. Ein prächtiges Schild hing vor einem Haus auf dem die angenehmen Worte "Gendarmerie francaise" zu lesen waren. Uns sackte vielleicht das Herz in die Hose als wir das niedliche Schild sahen und zu allem Überfluss noch französisches Gequatsche aus dem Haus tönen hörten.

Mit festem Schritt, so gut es ging, segelten wir an dem Haus vorbei und bemühten uns so dumm wie möglich in die Welt zu schauen. Und wir hatten Glück, die Franzosen waren wohl gerade beim Mittagessen und ließen sich nicht stören. So kamen wir glücklich aus dem Dorf und verschwanden vorläufig wieder im Wald. Im Wald liefen wir weiter, bis wir so ungefähr notgedrungen auf die Strasse gehen mussten und als es dann soweit war, entschlossen wir uns es zu wagen, den Weitermarsch auf der Strasse fortzusetzen. Grundlegend dabei war, dass wir so müde waren, dass wir keine Lust mehr zu Waldpartien hatten. Also spielten wir den frohen Kameraden und auf der Strasse setzten wir unseren Weg fort.

Anscheinend schienen wir jetzt auch weniger aufzufallen, denn es begegneten uns laufend französische Autos, die aber keine Notiz von uns nahmen. Sonst sahen wir nur Bauern und Spaziergänger, die aber auch besseres zu tun hatten, als uns zu belästigen.

Es war ein sehr warmer Tag, der Schweiß lief bloß so an uns herab und die Pausen, die wir einlegten waren ziemlich zahlreich , so dass es geraume Zeit dauerte, bis wir die Strecke bis zu unserem Zielbahnhof zurückgelegt hatten. Kurz vor zwei Uhr mittags kamen wir am Dorfrand an, dort setzten wir uns noch ein letztes Mal zur Ruhe nieder, erfrischten uns und ordneten unsere Bekleidung ein wenig, um nicht ganz wie die Landstreicher in den Ort einzumarschieren. Wenige Minuten später gingen wir denn auch durch das Dorf und geradewegs auf den Bahnhof zu. Wir hatten die Absicht, den ersten Zug der gegen Innsbruck fuhr zu benutzen, um unsere Reise fortzusetzen, denn viel Aufenthalt konnten wir uns nicht leisten, da unsere Lebensmittel auf kurze Zeit beschränkt waren und wir genau wussten, das es sehr schwer sein würde, in Österreich welche zu bekommen, hatte doch die Bevölkerung nur das eben Notwendigste und sogar dieses fehlte oft. Also besahen wir uns den Fahrplan und stellten fest, dass wir bis zur Abfahrt des nächsten Zuges noch etwa eine halbe Stunde Zeit hatten. Da wir möglichst nicht mit Franzosen in Berührung kommen wollten, verzogen wir uns wieder vom Bahnhof und gingen in ein kleines Lokal, wo wir uns ein Bier, auf unseren Durst hin leisteten.

Zehn Minuten vor Abfahrt des Zuges ging ich dann auf den Bahnhof, um die Fahrkarten nach Innsbruck zu lösen, Karlos und Wilhelm kamen dann wenige Sekunden vor dem Einsteigen an, so das wir gleich losfahren konnten, ohne groß am Bahnhof rumzustehen. Der Zug fuhr also los.

Nun gab es nur noch Entweder - Oder. Entweder es kam keine Streife der Franzosen oder Österreicher oder es kam eine. Kam keine, hatten wir Glück, kam eine, mussten wir uns darauf vorbereiten, eingesperrt zu werden. Es kam keine. Die Fahrt bis Innsbruck dauerte kaum eine Stunde und ehe wir es uns versahen, standen wir vor dem Bahnhof. Nun hieß es aber so schnell wie möglich verschwinden, denn in der Stadt wären wir mit unserem Gepäck noch mehr aufgefallen, als auf der Wanderung, wenn wir lange rumscharwenzelt hatten. Jetzt war das aber nicht so einfach, denn wir kannten uns in Innsbruck ja nicht aus und mussten uns erst nach den Strassen, wo wir Adressen von mehr oder minder bekannten Leuten hatten und die lieben Leute in Innsbruck waren ja so stur! Zu allem Überfluss hatten wir das Pech, dass wir von den fünf Adressen die wir hatten, bei den ersten vier niemanden vorfanden, was nicht zu verwundern war, denn die Leute, die uns die Anschriften gegeben hatten, wussten nicht, was nach Kriegsschluss aus ihren Bekanntschaften geworden war und so kam es, dass unsere letzte Rettung die letzte Adresse war, denn wo hätten wir sonst hin sollen, in der uns völlig fremden Stadt? Und wir hatten im Pech doch wieder Glück, denn während ich in einem Gasthof zur Bewachung des Gepäcks geblieben war, hatten sich Karlos und Wilhelm aufgemacht um ihr Glück bei dieser letzten Anschrift zu versuchen, und sie hatten es, bzw. wir hatten es. Wir wurden in diesem Haus nicht nur empfangen, sondern konnten sogar dort übernachten, was für uns ja das Wichtige war, wenn wir nicht auf der Strasse sitzen wollten.

Es war das Haus einer Frau, die ihren Mann als Hauptmann im Kriege verloren hatte und so war es zu verstehen das sie so viel Verständnis für uns hatte. Sie wohnte in dem Haus mit ihrer Mutter und ihren zwei kleinen Kindern und hatte beileibe nicht viel Platz. Dennoch bot sie uns an, bei ihr zu übernachten und wir konnten nichts anderes tun, als anzunehmen. Da nicht für uns drei Betten zur Verfügung standen, setzte sich die Frau mit ihrem Bruder in Verbindung, der sich bereit erklärte, einen aufzunehmen und für die Nacht bei sich zu behalten. Mehr hatten wir nicht erwarten können. Auf mich kam nun das Los, noch einen langen Spaziergang zu machen, um bis zum Haus des Bruders zu kommen, aber wenn der Weg auch doppelt so lang gewesen wäre, ich hätte ihn doch gerne gemacht, denn wir waren so müde, dass die Aussicht auf ein Bett einfach herrlich war. So aßen wir also noch von unseren mitgenommenen Sachen und die Hausfrau kochte uns noch von unserem mitgebrachten Kaffee, zu dem wir wenigstens die ganze Belegschaft einladen konnten, und dann machten wir uns auf den Weg, d.h. d.h. der Bruder der Frau und ich. In dem Hause dieses Herren wurde ich sehr nett aufgenommen, und bekam noch einen Schnaps und sogar etwas Brot, bei einer Ration von wenig über hundert Gramm, die die Bevölkerung in Österreich bekam! Und dann das beste, ein sauberes und weiches Bett. Ich habe geschlafen wie ein Prinz, vorausgesetzt das der Prinz so gut geschlafen hat wie ich! Am nächsten Morgen stand ich trotz der Verhältnisse früh auf, denn wir mussten ja unsere weiteren Reisepläne schmieden. Ich verabschiedete mich also bald und ging wieder in das Haus, wo Karlos und Wilhelm einquartiert waren. Die waren auch schon munter unter und erzählten begeistert von einem warmen Bad, das sie noch am Abend genommen hatten. Ich hatte das Glück, dieses Bad am Morgen nachzuholen. Diese Hausfrau hat wirklich alles getan, was sie tun konnte, um uns zu helfen, Karlos und Wilhelm hatten in ihrem Zimmer geschlafen, während sie zu ihren Kindern gezogen war. Das war schon mehr als wir hätten zulassen können, aber kein Wiederreden half.

Und noch ein weiteres tat die Frau, sie machte uns mit einem Bergführer ihrer Bekanntschaft bekannt, der die Absicht hatte am anderen Tage nach Italien zu wandern und der uns zumindest den besten Weg sagen sollte. Wir unterhielten uns also mit dem Mann, der sich als alter Soldat entpuppte, der bei der Kriegsmarine gedient hatte und letzten Endes erklärte er sich bereit, uns mitzunehmen. Er hatte zwar schon zwei Leute mit, einen Mann mit seinem Sohn, aber er meinte wir würden ihm wohl keine Schwierigkeiten machen. Allerdings warnte er uns davor, ohne Papiere den Zug zu benutzen, es seien auf der Strecke zum Brenner viel Kontrollen. Er riet uns den Weg zu Fuß zu machen und sofort am Nachmittag aufzubrechen. Wenn wir auch noch vom marsch bis Seefeld, der, wenn auch nur 18 Km lang, aber auf unmöglichem Gelände, uns erledigt hatte, ziemlich mau waren, so mussten wir uns doch entschließen, seinem Rat zu folgen, denn unser erster Zweck war ja, heil nach Genua zu kommen, oder besser gesagt bald, denn heil oder nicht wäre nicht so wichtig gewesen, das hätte sich wohl wieder einrenken lassen.

Wir verabredeten also an Hand einer Karte einen Ort, schon in den Bergen des Brenners, an dem wir uns treffen wollten und verabschiedeten uns von dem Bergführer. Schnell kehrten wir in das Haus unserer Gastgeberin zurück, um uns noch etwas auszuruhen und um zu essen. Als wir das getan hatten, machten wir uns daran , unsere Rucksäcke zu untersuchen, um zu sehen was wir an überflüssigem Zeug da lassen konnten, entschlossen uns jedoch nur einige Lebensmittel dazulassen, die der Gastgeberin gleichzeitig ein kleiner Dank für ihre Bemühungen sein konnte. Sonst hatten wir ja wirklich nicht zu viel mit. Mittags um zwei etwa verabschiedeten wir uns von der Frau, dankten ihr so gut es ging, denn gutmachen konnten wir ja leider nichts und gingen neuen Taten entgegen. Bevor wir auf die Landstrasse gen Süden kamen, gingen wir noch an dem Haus vorbei, in dem unser Bergführer wohnte und ließen doch noch Kleidungsstücke und sogar noch mehr Lebensmittel dort, denn wir hatten einen langen Marsch über 30 Km bis zum Dorf Grieß am Brenner zu bewältigen und dann einen Tag später die tollste Tour, nämlich die Übersteigung des Brenners und damit der Alpen.

Dann, es war etwa drei Uhr geworden, marschierten wir los. Es regnete angenehm fürs Marschieren. Wir hatten eigentlich die Absicht, die Strecke bis zum Abend zu bewältigen, aber wir merkten schon bald, dass es zuviel werden würde und so wollten wir auf etwa dreiviertel Wegs versuchen bei einem Bauern in einer Scheune unterzukommen, um anderen Tags die letzte Strecke zu bewältigen und uns dann noch vor dem Anstieg zu erholen.

Aber wir hatten anscheinend eine Glücksträhne, denn nach etwa 15 Km kam hinter uns her ein Lastwagen in langsamster Fahrt den Berg heraufgekeucht und wir hatten blitzschnell den Gedanken, ihn zum Halten zu veranlassen, mit der Absicht, dass er uns mitnahm. Schnell kramten wir aus unserem Rucksack ein Paket amerikanische Zigaretten und winkten damit, in der Hoffnung, dadurch das Herz des Fahrers zu erweichen. Und wir hatten richtig getan, denn er fuhr bald noch langsamer und blieb schließlich stehen. Wir wetzten also hin und fragten den Fahrer, wohin seine Fahrt ginge und hörten zu unserer großen Freude, dass er bis Grieß am Brenner fahren wollte, also der Station, von der aus wir den Aufstieg beginnen wollten. Das Paket Zigaretten wanderte in die Tasche des Fahrers und wir hinten auf das Lastauto. Nun ging es in schnellerem Tempo los. Da hatten wir, was wir uns nur wünschen konnten, gleich bis zum Start wurden wir gefahren. Die Fahrt, die nur noch etwa l5 Km betrug, war schnell beendet und ehe wir uns versahen fuhren wir schon durch Grieß, bis zum Ausgang des Dorfes wo der Wagen hielt. Der Fahrer, der mittlerweile wusste, was unsere Absicht war, riet uns zu dem Besitzer des Gasthofes zu gehen, und den zu bitten uns im Heuschober übernachten zu lassen, er erbot sich sogar bei dem Besitzer für uns zu sprechen, was er aber nicht tat, denn er verschwand bald darauf.

Plötzlich sahen wir in einem Fenster des Gasthofes einen Mann in Uniform erscheinen und zwar in der Uniform der englischen Armee und nun war unser erster Gedanke, schnell zu verschwinden, aber da der Soldat uns auch gesehen hatte, dachten wir, es sei doch wohl besser, in das Haus zu gehen und recht harmlos drauflos zu fragen, ob wir nicht eine Nacht dort übernachten konnten. Gedacht, getan. Wir gingen in das Haus und trafen gleich auf eine Alte, die uns zum Hausherrn führte. Der erklärte uns, die Soldaten seien Polen, es waren drei Mann, die die Absicht hatten am späten Abend weiter nach Italien zu reisen und sobald die weg seien, könnten wir in ihrem Zimmer Quartier nehmen. Bueno, wir setzten uns also an einen Tisch und packten unsere Esssachen aus. Wir bestellten uns nun noch ein Bier und unser Abendbrot begann. Wir saßen da, als sei es das natürlichste von der Welt, das wir dem Dorf unseren Besuch machten. Heikler wurde es erst, als die Frau die uns empfangen hatte mit einem Buch ankam in das wir uns eintragen sollten. Dort musste Name, Wohnort, Staatsangehörigkeit und die Ausweispapiere aufgeschrieben werden und wir berieten nun, nachdem wir der guten Frau sagten, wir wollten erst mal zu Abend essen, was wir für einen Zauber eintragen sollten, der einmal völlig verkehrt sein musste und dann nicht auffallen sollte. Wir trugen uns also ein: Name wurde so gut verstellt wie es ging, Staatsangehörigkeit war Spanien, Wohnort Innsbruck, Ausweis... die Geburtsurkunde unser einziges Papier, auf dem unsere Namen zwar richtig, aber so schlecht geschrieben sind, dass die Frau ihn doch nicht entziffern konnte. Grund unser Reise: Wanderung in die herrlichen Berge Österreichs. Das war wohl so ziemlich das einzig Wahre.

Morgen oder übermorgen sollten die Sachen zwar zur Polizei, aber bis dahin wollten wir über alle Berge sein.

Es wurde gegen elf Uhr, bis die Herren Polen sich entschlossen weiterzufahren und sofort belegten wir das Zimmer und hauten uns in die Betten. Schön war der Raum nicht gerade, aber darum kümmerten wir uns nicht weiter und bald waren wir der Erde durch den Schlaf entrückt. Einmal wurden wir noch wach und zwar dadurch, dass die ganze Belegschaft des Hauses durch unser Zimmer wanderte, um in ihre Gemächer zu kommen, einen anderen Zugang hatten diese Leute nicht.

Nette Zustände, kann man nur sagen.

Morgens erwachten wir wieder durch das selbe Theater und dann war keine Zeit zum Weiterschlafen, denn wir mussten uns so sachte das Weitere überlegen. Also auf und wieder runter in die Gaststube, wo wir noch ein frugales Frühstück einnahmen. Dann ging Wilhelm los, um am Bahnhof den Bergführer zu treffen und mit ihm das Weitere zu beraten.

Nach etwa einer Stunde war Wilhelm dann wieder da und sagte uns der Mann mit seiner Begleitung sei schon vorangegangen und wir sollten uns am festgesetzten Ort treffen.

Die Rucksäcke wurden also wieder aufgeladen, und wir machten uns auf den Weg. Die große Etappe sollte beginnen.

Durch das Dorf kamen wir gut, aber kaum waren wir auf den Pfad gelangt, der uns zum Treffpunkt führen sollte, als wir schon einem Grenzer in die Arme liefen. Aber entweder wir sahen so mitleiderregend aus, dass der Mann uns nichts böses wollte oder er dachte wirklich nicht schlecht von uns, jedenfalls durchsuchte er nur unser Gepäck, wohl nach Schmuggelware, und dann ließ er uns weiterziehen. Ich hatte unbedingt das Gefühl, dass der Grenzer wusste wohin wir wollten, dass er uns aber nicht für gefährlich erachtete und sich deshalb unserem Vorhaben nicht entgegensetzte. Und noch ein zweites mal mussten wir ein solches Theater mitmachen, denn kurz nach diesem Zusammentreffen, stießen wir wieder auf zwei Herren, die uns diesmal nach Ausweispapieren fragten. Wir holten also nun mit ernstestem Gesicht die Geburtsscheine aus der Brieftasche und zeigten sie vor. Da der gute Mann, der sie verlangt hatte die Dinger nicht lesen konnte, fragte er uns was sie seien, worauf wir ihm erklärten, es seien spanische Urkunden und Ausweise. Daraufhin, verlangten sie wir sollten spanisch sprechen, denn wie Spanier sahen wir nicht aus - oder doch höchstens ich. Den Gefallen konnten wir ihnen aber tun und so plapperten wir das albernste Zeug. Bald waren die Herren befriedigt und fragten uns nur noch wann wir gedächten in Bozen (Italien) zu sein!!! So gut wussten sie wo wir hinwollten. Na, wir erklärten nur wir hätten lediglich die Absicht in die Berge zu wandern, aber die beiden lächelten nur mitleidig. Dann ließen sie uns laufen. Uns fiel vielleicht ein Stein vom Herzen, das kann man schon glauben. Nicht weit von der Stelle unseres Zusammentreffens mit den Grenzern war der Ort, wo der Bergführer auf uns wartete und der erklärte uns er hätte schon gar nicht mehr gehofft uns zu treffen, denn die Grenzer hatte er natürlich auch gesehen, war aber an Hand seiner österreichischen Papiere nicht aufgehalten worden. Der Führer war nun nicht für einen langen Aufenthalt, sondern wollte, dass wir möglichst noch bei Tage bis kurz vor den Gipfel des Berges kämen, den wir dann bei Nacht übersteigen wollten, denn die Gegend in der Höhe war fast ganz kahl.

Also ging es los und zwar gleich richtig, der Hang war sehr, sehr steil und wir keuchten bald aus allen Löchern. Dauernd wurden Pausen eingelegt und nur langsam kamen wir vorwärts, was aber nichts schadete, denn wir waren so rechtzeitig unterwegs, dass wir uns einen langsamen Aufstieg ruhig leisten konnten. Das Unterholz war zuerst sehr dicht und erschwerte den Aufstieg mächtig, dann wurde der Wald aber lichter, die Bäume wechselten an Gattung und gegen sechs Uhr nachmittags waren wir soweit, dass wir uns nur noch vorsichtig weiterbewegen konnten, damit wir von etwaigen Grenzwachen nicht gesehen wurden. Eine knappe Stunde später waren wir dann in einer Mulde, die kurz vor dem Gipfel lag. Dieser Gipfel war allerdings, wie wir jetzt sahen, sehr langgezogen und es würde noch ein langes Stück Weg sein, bis wir darüber wären. Einen Schrecken mussten wir bei dieser Mulde noch einstecken, denn plötzlich sahen wir vor uns fünf Leute, die sich aber bei unserem Kommen versteckten, so dass wir gleich annahmen, sie seien auch Grenzgänger und wir gingen auch stur auf sie los. Wie wir gleich sahen, war unsere Annahme berechtigt, es waren drei Weiblichkeiten, eine Mutter mit zwei Töchtern, ein Bergführer und ein älterer Herr. Es gab eine lautlose, aber freundliche Begrüßung und wir fragten die Leute, ob sie von Italien kämen oder wie wir auch hinwollten. Sie erklärten, sie hätten dasselbe Ziel wie wir und so wurde beschlossen, erst mal den Weg gemeinsam fortzusetzen, was allerdings allerhand Frechheit bedeutete, denn nun würden wir elf Personen sein beim Überschreiten der Grenze. Es war inzwischen etwa sieben Uhr geworden und da es noch nicht dunkel war, legten wir uns ins Gras und nahmen unser Abendbrot ein. Dabei wurden die letzten Reserven unseres Marschproviants verzehrt, bis auf einen halben Laib Brot, der uns noch das Frühstück sein sollte. Es blieb uns allerdings noch eine große Dose mit Cornedbeef, aber die, sowie etwas Schokolade, wollten wir nicht essen, da sie in Italien verkauft werden sollte, um uns etwas Reisegeld zu verschaffen. Langsam dunkelte es und unser Führer schlug nun vor, bei der Dämmerung noch ein Stück näher an die Grenze zu rücken, um dann bei stockdunkler Nacht und bevor der Mond aufging den Sprung über die Grenze zu machen. So wurde es dann auch getan. Wir nahmen unser Gepäck wieder auf und machten uns erneut auf den Weg. Wir sahen bald, dass die Grenze doch noch in weiter Ferne war, denn wir marschierten und marschierten, und die Grenze, der Gipfel des Berges, war noch gar nicht erreicht. Damit es nun schneller vorwärts ginge, wurde das kleine, etwa 8 Jahre alte Töchterchen der Frau, die mit von der Partie war, von dem Bergführer auf den Rücken genommen und in etwas erhöhtem Tempo ging es nun weiter. Es dauerte auch nicht mehr lange und der Kamm des Gebirges lag kurz vor uns. Da es mit dem Weg doch etwas länger als gedacht gedauert hatte, war es stockdunkel ehe wir ankamen und so wurde beschlossen, die Zeit zu nutzen, um gleich weiterzuwandern und so die Grenze möglichst bald hinter uns zu haben. Was war das für ein herrliches Gefühl, als nach etwa einer viertel Stunde einer von uns plötzlich an einen Stein stieß, der sich als der Grenzstein entpuppte! Wir drei wähnten uns schon fast zu Hause und unsere Stimmung stieg um ein beträchtliches. Nun führte uns der Bergführer an der Grenze entlang weiter, da er erklärte, es sei sonst zu gefährlich und er wolle nicht die Gefahr des Abstürzens laufen. Da wir durchaus seiner Meinung waren, folgten wir ihm willig.

Trotzdem wir den Monat Juli hatten, fegte in dieser Höhe ein eisiger Wind und wir begannen, trotz unseres anstrengenden Marsches, bald zu frieren. Wir wünschten sehnlichst, bald weg von der Grenze zu kommen und bergab ins Tal zu verschwinden, wo der Wind uns wohl in Ruhe lassen würde. Zu allem Überfluss, kam jetzt noch ein starker Nebel auf, der das Weiterlaufen sehr behinderte und den ganzen Spaß um ein bedeutendes gefährlicher machte, denn die ersten wären wir sicher nicht gewesen, die sich in den Alpen das Genick brächen. Einmal war es bald soweit, denn wir waren immer eine Bergnase entlanggegangen und kamen schließlich an eine Stelle, an der es nur noch nach allen Seiten, mit Ausnahme von der, aus der wir kamen, steil hinunter ging. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als umzukehren und einen anderen Weg zu wählen. Nach etwa einer halben Stunde Marsches an der Grenze entlang, hielt es unserer Führer, zu dem jetzt der Führer der anderen Gruppe geworden war, für richtig mit dem Abstieg zu beginnen. Wir schauten noch einmal, was eigentlich nur sinnbildlich gemeint war, nach Norden zurück, wie um uns zu verabschieden und dann ging es mit frischem Mut in italienisches Land hinein, die Grenze lag hinter uns und die Hoffnung, nunmehr berechtigt, bald zu hause zu sein, vor uns.

Dieser Abstieg wurde sehr hart, denn der sehr steile Hang war mit einem Bergkraut bewachsen und das Gehen wurde so zu einer richtigen sportlichen Leistung. Wie man über Hannibal, der, wenn auch im Winter, aber mit Elefanten als Reittieren und mit Beleuchtung, denn ich nehme stark an, dass er, falls er nachts gereist ist, wenigstens Fackeln hatte, durch die Alpen wanderte, soviel Reden hält und gehalten hat, verstanden wir in diesem Augenblick durchaus nicht. Über unsere Alpenüberschreitung wird niemals in den dicken Geschichtsbüchern irgend etwas stehen. Wir fielen also mehr als wir gingen den Berg hinab und standen plötzlich vor einer breiten Straße. Mehr verwundert als erschreckt, besahen wir uns diese Angelegenheit und der Bergführer erklärte uns es seien hier Straßen von der ehemaligen italienischen Wehrmacht angelegt worden, die nicht benutzt wurden und nur im Kriege ihren Zweck erfüllen sollten. Trotzdem mussten wir vorsichtig sein, denn wie der Bergführer sagte, benutzten Streifen diese Straßen und so hieß es im Sprung darüber hinwegzusetzen. So taten wir denn auch und bald darauf waren wir auf der anderen Seite der Straße wieder im Kraut verschwunden. Nun ging es weiter, einmal bergauf, einmal bergab, durch Gegenden, die sicher nicht viel von Menschen begangen worden sind. Dass oft, ja sehr oft Pausen eingelegt wurden, braucht wohl nicht besonders betont zu werden.

Wir ließen uns dann einfach in das weiche Gesträuch fallen und nahmen uns nicht einmal die Zeit den Rucksack abzunehmen. Vergessen habe ich noch zu erwähnen, dass sich unsere Gruppe kurz vor der Grenze noch um eine weitere Person vergrößert hatte bestehend aus einem jungen Mädchen, die ganz mutterseelenallein über die Grenze wollte. Mut gehörte da schon dazu und außerdem Ortskenntnis, die dies Weibsbild allerdings besaß, da sie Hirtin in der Gegend war. Da sie aber auf uns traf, hielt sie es doch für besser sich uns anzuschließen und so wurde der Weg zu zwölft fortgesetzt.

Mit einem Male sahen wir plötzlich vor uns einen Pfad, den wir nun entlanggehen sollten und der Führer erklärte uns dieser Pfad würde vor allem von Schmugglern benutzt. Nachdem wir etwa eine halbe Stunde diesen Weg entlanggegangen waren, der direkt eine Erholung für uns bedeutete, mussten wir sechs der einer Partie uns von den anderen trennen, da die andere Gruppe ein von uns verschiedenes Ziel hatte.

So bogen wir nun von dem Pfad ab und begannen weiter in das Tal hinabzusteigen. Es war etwa ein Uhr nachts, als der Nebel so dicht wurde, dass unser Führer dazu riet, eine größere Pause einzulegen, bis der Nebel sich verzog oder es durch den Aufgang des Mondes heller wurde. So suchten wir noch einen möglichst geschützten Platz und legten uns dann auf den feuchten Boden unter einem Baum. Wir waren so hundemüde, dass wir sogar den Versuch machten, einzuschlafen, was aber nicht recht gelang, denn dazu war es doch zu kalt.

Plötzlich hörten wir ganz in unserer Nähe leises Geflüster und ehe wir uns rühren konnten tauchten schon einige Gestalten auf, die mühsam den Hang heraufkletterten. Sie trugen alle schwere Rucksäcke auf dem Rücken und da es sicher war, dass sie ebenso wie wir Grenzgänger waren, riefen wir die Leute leise an. Es war direkt herrlich was diese Kolonne, es waren 7-8 Mann für einen Schreck bekam, denn da wir im Dunkeln und dazu noch im Schutz eines Baumes auf der Erde lagen, hatten sie uns, obschon sie kaum zwei Meter an uns vorbeiliefen, nicht gesehen. Sie beruhigten sich aber schnell wieder und überschütteten uns mit Fragen, ob oben Wachen seien und wo der beste Weg sei. Zudem waren die meisten der Partie ziemlich besoffen, denn sie stanken widerlich nach Wein. Wir erkundigten uns unsererseits nach allem Möglichen und erhielten einige gute Ratschläge für den Weitermarsch. Dann zogen die Leute ab, weiter den Hang hinauf. Da wir nun einmal wieder munter waren beschlossen wir, da es außerdem etwas heller geworden war, wahrscheinlich weil der Mond hinter dem Nebel erschienen war, weiterzugehen. Es war inzwischen drei Uhr morgens geworden und der Augenblick nahte, in dem unser Führer und sein Sohn, die mit bei uns waren, sich von uns trennen wollten, um in ein in der Nähe liegendes Dorf zu gehen, das ihr Reiseziel war. Nach etwa einer dreiviertel Stunde war es auch soweit und der Führer zeigte uns die Lichter eines Dorfes, das ganz unten im Tal lag. Da wir anderen nicht zu weit runter durften, kam bald der Augenblick an dem wir alleine blieben. Nach kurzem Abschied, verschwanden Vater und Sohn in der Dunkelheit.

Der Nebel war inzwischen, bis auf einige Schwaden, die noch vorbeizogen, Gott sei Dank gewichen und es war nur gut so, denn der Wald wurde jetzt sehr dicht und wir hätten uns sonst gar nicht orientieren können, was der Bergführer jetzt anhand der Bergumrisse schon recht gut konnte. Wir waren nun wohl drei bis vier Km in Italien drinnen und fühlten uns schon sehr glücklich und wahrscheinlich wurden wir jetzt, aus einem sehr gefährlichen Gefühl größerer Sicherheit heraus, unvorsichtiger, denn wir sahen vor uns die Waldschneise und statt sie zu umgehen, gingen wir durch sie hindurch und das sollte unser, wenigstens zum Teil, Unglück werden.

Wir gingen in einer Art Senke, links ging der Hang ziemlich steil hinauf und rechts war das Dunkel des Berges. Wir kamen an eine Stelle, an der ein Bretterzaun über diese Senke lief, wohl diente er dazu, um die Rinderherden am Verlaufen zu hindern und als wir etwa zehn Meter von diesem Zaun entfernt waren, kam plötzlich das Unwetter über uns herein. Ein lautes Halt! ertönte in etwa 25 Meter Entfernung und ehe wir stehen bleiben konnten oder ehe wir hätten etwas sagen können, krachte auch schon ein Schuss, der aber ziemlich schlecht gezielt sein musste, denn wir hörten nicht einmal das Geschoss pfeifen. Ohne einen Ton zu sagen und wie auf Verabredung, lagen wir alle vier platt auf der Erde, als ein zweiter Ruf, diesmal auf italienisch, ertönte und sofort folgte ein weiterer Schuss, der diesmal dicht an uns vorbei ging denn wir hörten sehr gut die vorbeizischende Patrone. Um die Sache noch spannender zu machen, bellte plötzlich ein Hund los, der sicher mit zur Patrouille gehörte und dann hörten wir eine Stimme, die auf italienisch den Hund aufhetzte, zu suchen.

Na, wir waren schon überzeugt, im Karzer zu landen, oder mindestens nach Deutschland zurückgeschickt zu werden, was unsere ganzen Anstrengungen zunichte gemacht hätte und wir bissen nur unsere Zähne zusammen und legten uns womöglich noch platter auf den Boden. Die ganze Sache spielte sich etwa 20-25 Meter vor uns ab und es war einfach unerklärlich, wie die Brüder uns, trotzdem es schon anfing hell zu werden und trotzdem sie den Köter dabei hatten, noch nicht gesehen hatten. Sie kamen uns entgegen, aber anscheinend hatten sie angenommen, dass wir davonliefen, denn sie kamen unterhalb von uns an uns vorbei und hetzten die Köter weiter nach hinten. Es war fast mit Sicherheit anzunehmen, dass der Hund bald auf unsere Spur stoßen würde und so nutzten wir diese, wenn auch sehr kleine Chance aus, um uns leise, sehr leise zu erheben und vorwärts zu schleichen. Nun mussten wir über den Holzzaun, der vor uns lag und es war sehr anzunehmen, dass dabei Geräusche verursacht würden, aber es war unsere einzige Möglichkeit, noch davonzukommen und so wagten wir es. Voran ging der Bergführer, dann kamen Karlos, Wilhelm und zuletzt ich. Karlos und der Führer waren eben vorsichtig hinübergekommen, als wir die Carabinieri, denn solche mussten es ja sein, wieder zurückkommen hörten und während nun der Führer mit Karlos in voller Flucht den Hang hinaufhetzten, konnten Wilhelm und ich nichts anderes tun, als noch eben rüberzurutschen und zehn Meter zu laufen, nach denen wir uns platt auf den Boden legten und uns so gut es ging gegen die Sicht deckten. Damit waren wir, ohne es vorerst zu wissen, an dem Punkt angelangt, an den wir zwei uns von Karlos und dem Bergführer trennen mussten und wir sollten uns nicht mehr wieder treffen, somit geht ab hier die Geschichte nur mit zwei Beteiligten weiter, denn Karlos mit seinem ihm alleine gehörenden Führer, waren weitergelaufen und schon weit von uns weg.

Wir zwei hatten nun das zweifelhafte Vergnügen, eine Stunde lang regungslos auf dem Bauch im feuchten Grase zu liegen und um uns herum suchten die Carabinieri mit ihrem Hund weiter. Es war inzwischen noch heller geworden und unser Eindruck war nun, dass der Köter scheinbar eine völlig vergammelte Nase hatte, denn die Herren, die manchmal bis auf etwa zwanzig Meter an uns herankamen, was bei der Helligkeit die sehr herrschte manchmal bis auf zwanzig Meter war, fanden uns nicht und nach etwa der angegebenen Stunde merkten wir, das sich ihr Suchen entfernte. Sofort nutzten wir diese Tatsache aus, um vorsichtig weiterzukriechen und nachdem wir uns so etwas vorwärtsbewegt hatten, aufzuspringen und wie Gejagte den Berg hinaufzulaufen. Wir durften wohl dreihundert Meter gelaufen sein, als es nicht mehr ging und wir uns ins Gras fallen ließen, um erst einmal wieder Luft zu schnappen. Danach berieten wir, wie es wohl anzufangen war unsere zwei Genossen wiederzufinden, aber wir hatten gleich wenig Hoffnung, denn wir hatten ja nicht einmal gesehen, in welche Richtung die anderen gelaufen waren, da wir Zeit zu irgendwelchen Beobachtungen nicht gehabt hatten. Also trafen wir die Vereinbarung uns etwas zu trennen, um ein weiteres Gebiet übersehen zu können, und machten einen Treffpunkt aus. Rufen sollte allerdings unterlassen werden, denn wir wussten ja, dass die Herren Carabinieri noch in der Nähe sein mussten. So zogen wir also los, jeder in eine Richtung und suchten, trotz des Verbotes, dass wir uns selbst auferlegt hatten, wagte ich leise nach Karlos zu rufen, aber ich hätte es ebenso gut sein lassen können, denn nur Vögel antworteten mir. Nichts war zu sehen oder zu hören und zur verabredeten Zeit standen wir beide mit langen Gesichtern am Treffpunkt. Wie Karlos mir später in Madrid erzählte, hatten sie auch nach uns gesucht, auch gerufen, aber die beiden Parteien mussten sehr weit auseinander sein, denn wir blieben auch weiterhin alleine. Nun waren Wilhelm und ich ziemlich schlecht dran, denn wir hatten einmal keine Ahnung von wo wir uns befanden, dann wussten wir nur die Richtung in der wir gehen sollten, aber keinen genaueren Weg, so dass wir erst Mal verzweifelt waren. Dann ließen wir unsere Verzweiflung an einer Tafel Schokolade zerschellen und berieten dabei den weiteren Plan. Auf gut Glück weiterzulaufen hatte unseres Erachtens keinen großen Zweck, denn ein zweites Mal würden wir kein solches Glück haben und mit heiler Haut davonkommen und so beschlossen wir, alles auf eine Karte zu setzen und auf dem nächsten Bahnhof den Zug zu besteigen. Außerdem wollten wir, um nicht gleich aufzufallen, mit sehr wenig Gepäck marschieren und so nahmen wir nur eine Aktentasche von Wilhelm mit uns, in die das Allernotwendigste hineingetan wurde.

Aber es war nicht einmal für beide das Notwendigste da, denn in dem Rucksack von Karlos hatten wir alle unsere Waschsachen drinnen und ich all meine Strümpfe, das Kleidungsstück das augenblicklich am wichtigsten war. Der Zufall hatte gewollt, das unser Bergführer eine Tasche die ihm gehörte, in unseren Rucksack getan hatte, in welcher sein Wasch- und Rasierzeug war, so dass wenigstens ein Stück Seife und ein Handtuch für uns zwei da war. So also, ganz leicht bepackt, wollten wir weiterziehen. Alles wurde in den Rucksack gestopft und dieser sehr gut versteckt und mit Zweigen verdeckt. Vielleicht ist er auch noch in den Bergen bei Gossensass (Norditalien) zu holen. Die Sonne war nun aufgegangen und wir sahen unter uns das Tal und viele kleine Orte, von denen wir nicht wussten wie sie hießen oder besser, wir wussten die Namen ganz genau, denn die Karte hatten wir vor unserer Abfahrt genau studiert, aber so von der Höhe konnten wir nicht die Namen an ihre Besitzer bringen.

Also beschlossen wir auf das nächste Dorf das an der Bahn lag loszugehen und uns dort umzusehen. Einer nahm die Aktentasche unter den Arm und so ging's in ziemlich geschwindem Schritt dem Tale zu. Je weiter wir hinunter kamen, desto mehr belebte sich die Gegend, erst trafen wir einen Hirten mit seiner Schafherde, dann weiter unten sahen wir schon Bauern und nach etwa einer Stunde Marsch lag das Dorf vor uns. Wir hatten unseren Weg so gut gewählt, dass wir direkt beim Bahnhof auf das Dorf stießen. Nun wurden wir aber erst mal doch etwas vorsichtig, denn auf dem Bahnhof konnten recht gut Carabinieri sein und denen wollten wir doch lieber nicht so schnell begegnen, in der Nacht hatten sie uns genug geärgert. So beschnüffelten wir die Umgebung und konnten feststellen, dass nur einige Bahnarbeiter in der Nähe des Bahnhofes beschäftigt waren, sonst lag die Gegend menschenleer vor uns. So überlegten wir also nicht lange und machten uns auf die Beine, um uns auf dem Bahnhof nach dem nächsten Zug zu erkundigen und vor allem zu erfragen, welcher Preis bezahlt werden müsste, um wenigstens bis nach Bozen (Bolzano) zu kommen. Unser ganzer Besitz waren bisher etwa hundert Lire, die Wilhelm schon in Mittenwald eingetauscht hatte, aber diese Menge reichte gerade, um eine Limonade zu kaufen, was wir aber trotzdem bleiben ließen, denn jeder Groschen war für uns von Wert. Der Fahrpreis bis Bozen betrug für beide etwa 700 Lire und so mussten wir dran denken, zu Geld zu kommen, hatten dazu Zeit bis zum Mittag, denn vorher fuhr kein Zug gen Süden.

Wir mussten also jetzt versuchen, unsere Dinge, wie Schokolade, die wenige die noch übrig geblieben war und unsere Fleischbüchse zu verkaufen. Später in Bozen wollte ich dann meine Uhr verkloppen, um bis nach Genua fahren zu können. Also klapperten wir nun ganz frech sämtliche Häuser ab, die in der Nähe des Bahnhofes lagen, um unsere Dinge loszuwerden, aber in Italien, vor allem hier in Südtirol, war anscheinend noch allerlei da, denn die Leute schüttelten nur die Köpfe und wir wurden nichts los. Die Schuld lag nicht etwa daran, dass wir uns nicht verständigen konnten, denn ich entdeckte, dass ich, obwohl ich nie Italienisch gelernt oder gelesen hatte, recht leidlich mit den Leutchen sprechen konnte. Nun hatte ich in München, wo wir ja mit Italienern in einer Behausung zusammengewesen waren und auch in Mittenwald ziemlich viele Brocken aufgeschnappt und nun vermengt mit spanisch, das ja dem Italienischen ziemlich ähnlich ist, ging die Sache sehr gut. Wilhelm fragte mich sogar, wo ich denn Italienisch gelernt hätte! Nur gut, dass er nicht verstehen brauchte was ich sagte, denn sonst hätte er doch daran gezweifelt, das ich sprachbegabt bin!

Tatsache ist jedenfalls, dass wir kein Glück hatten und so blieben wir auch weiterhin mit leeren Geldbeuteln. Und nun wollten wir ein letztes tun, wir wollten auf den Bahnhof gehen und versuchen für meine Uhr gleich zwei Fahrkarten bis nach Genua zu bekommen. Dieser Gedanke und letzte Ausweg war nun aber unser Verderben, wir hätten lieber zu Fuß noch eine größere Strecke weitergehen sollen, aber wir waren einmal sehr erledigt vom dem Nachttheater und dann hatten wir keine Ahnung welcher Weg da zu wählen wäre, so kam es, dass wir die große Dummheit machten, noch einmal auf den Bahnhof zu gehen.

Wir waren eben am Bahnhof angelangt, als um die Ecke ein Trupp von drei Carabinieri kam, die, als sie uns auf schlechtestem Italienisch mit dem Bahnbeamten sprechen hörten sofort stutzig wurden und auf uns zu kamen.

Ohne lange zu warten fragten sie uns nach den Ausweispapieren und was sollten wir ihnen da zeigen?! Wir hatten wie bereits erwähnt nur unsere Geburtsurkunden mit und dann noch ein Papier, das ich vergessen habe aufzuzählen und das Karlos, wie ich später erfuhr, zur Heimreise verhalf und zwar war das ein gefälschtes Dokument, bestehend aus einem selbst verfassten Text in Deutsch, Italienisch und Englisch, in dem zu lesen stand, dass wir Befehl hatten, uns vom UNRRA-Lager (Ort war nicht angegeben) Team 568 nach Genua zu begeben. Diese Dokumente waren auch gestempelt und zwar mit einem Stempel des Lagers und einem Unterschriftenstempel des Lagerführers von Mittenwald. Ich hatte diese Papiere gemacht als ich im Büro des Lagerführers Telefonwache hatte. Eigentlich war das natürlich Pflichtverletzung, aber da von uns nur ein guter Zweck verfolgt wurde und keine schlechte Tat, so habe ich keinerlei Gewissensbisse. Während diese Ausweise uns, wenn wir weiter in Italien, z.B. in der Bahn, angehalten worden wären, genützt hätten, wie sie Karlos genützt haben, waren sie für uns gefährlich, da sie besagten, dass wir aus Österreich kämen. Also zeigten wir nur unsere Geburtsurkunden vor, aber damit war es den Carabinieri nicht genug, sie wollten, da wir sagten, wir seien schon längere Zeit in Italien, ein italienisches Ausweispapier sehen und das hatten wir nun nicht. Natürlich hatten die Brüder gleich angenommen, dass wir über die Grenze gekommen seien, sie fragten es uns auch schließlich direkt, aber da wir das nie zugeben durften, lachten wir sie, soweit uns zum Lachen zu Mute war, aus. Nun war es aber mit dem Lachen nicht weit her, denn wir hatten bald Pech und zwar dadurch, dass Wilhelm dieses gefälschte Dokument, das er im Ärmel seines Pullovers versteckt hatte, beim bücken herunterfiel und ehe er es aufheben konnte, hatte sich schon der Chef der drei Carabinieri dafür interessiert und es aufgehoben. Er las es nun durch und fragte uns zunächst warum wir diesen Wisch nicht vorgezeigt hatten, er sei ja ein richtiger Ausweis. Aber wir wussten recht gut warum wir es unterlassen hatten, denn wenn die Leute auf den Gedanken kamen Nachforschungen anzustellen, dann konnte es uns dreckig gehen. Na, der gute Mann wurde denn auch bald ungeduldig und da er nun wusste, dass wir illegal über die Grenze gekommen waren, nahmen die drei uns zwei in die Mitte und führten uns in ihr Quartier, wo sie uns ihrem hohen Chef vorstellen wollten. Wir wurden also vor den Chef des Grenzschutzes der dortigen Region geführt, der uns eigentlich sehr höflich behandelte, so dass ich wieder etwas Mut bekam und ihn fragte, ob er uns nicht weiterreisen lassen könnte, wir wollten ja nur nach Hause, aber der Herr erklärte, das könne er nicht tun, er müsse uns erst mal wieder über die Grenze nach Österreich zurückschicken, kämen wir dann legal hinüber, würde er uns nicht hindern. Das ganze spielte sich in dem Dorf Gossensass ab, Luftlinie etwa, vier km von der Grenze entfernt.

Zunächst wurde ein Protokoll aufgenommen, worin festgestellt wurde, dass wir aus Wien kamen, Studenten waren und nach Hause, nach Spanien wollten. Diesen ganzen Zauber hatten wir uns ausgedacht und den Leuten diktiert, denn die Wahrheit konnten wir nicht sagen, außerdem wollten wir auf keinen Fall nach Deutschland zurück. Unsere Papiere wurden noch einmal bestaunt und dann... Gott sei Dank, uns zurückgegeben. Mein einziger Gedanke war nun die gefälschten Ausweise zu vernichten, denn die Franzosen an der österreichischen Seite der Grenze würden sich die Sachen schon genauer ansehen. Aber nun musste erst auf eine Gelegenheit gewartet werden, um mein Vorhaben auszuführen. Und sie kam. Die Italiener waren sehr gutmütig und da sie uns anscheinend den Hunger an der Nasenspitze ansahen, schickten sie uns in die Küche, wo sie uns ein recht gutes Essen vorsetzten, aus Suppe und natürlich Makkaroni und Brot bestehend. Dabei

hatten sie die Vornehmheit uns alleine zu lassen und die Hornochsen machen sogar die Tür zu, so dass ich gleich die Gelegenheit benutzte und die Wische in den glühenden Herd warf, wo sie in einigen Sekunden verschwunden waren. Sollten sie uns nachher danach fragen, wollten wir einfach frech erklären, die hätten wir nicht wiederbekommen, denn mit den Papieren in der Hand hätten wir noch großes Unglück haben können. Für Mittags um drei Uhr war unsere Abfahrt in Richtung Brenner vorgesehen, wo wir den Herren Franzosen übergeben werden sollten. Bald war es auch soweit und jeder bekam einen Wachhabenden mit, wohl damit wir nicht verloren gingen und kurz nach drei bestiegen wir den Zug.

Nach etwa halbstündiger Bahnfahrt, kamen wir am Bahnhof Brenner an, stiegen aus dem Zug und wurden von unseren sehr einsilbigen Begleitern in die Mitte genommen. Nun ging es zu Fuß bis an die etwa einen halben Km entfernt liegende Zollschranke, wo wir den Franzosen übergeben werden sollten. Von der italienischen Grenzkontrolle wurden wir auch noch einmal genau untersucht und es wurde noch ein Wisch geschrieben, der all unsere Daten enthielt, allerdings nur die, die wir die Güte hatten, ihnen mitzuteilen, das andere mussten wie sich selbst denken. Zu unsere Befriedigung waren wir nicht die Einzigen, die auf die Auslieferung warteten, es waren außer uns noch drei Männlichkeiten und eine Weiblichkeit da, die des gleichen Verbrechens wie wir angeklagt waren und auch darauf warteten, nach Österreich abtransportiert zu werden. So wurden wir denn, nachdem das sogenannte Verhör beendet war, alle miteinander über die Grenze geschafft und den Franzosen zur weiteren Bearbeitung übergeben.

Die anderen Leidensgenossen sagten uns, wir würden drüben wohl eine kleine Geldstrafe bezahlen müssen und dann könnten wir gehen, so hatten wir weiter keine große Sorge und nahmen an, dass unsere Haft von kurzer Dauer sein würde. Und wie wir bald sahen, hatten die Leutchen zum Teil recht, wenigstens was sie betraf, denn nachdem uns die Franzosen liebevoll in Empfang genommen hatten und sich die Papiere besehen hatten, nahmen sie die Begleiter die wir hatten, also die anderen Grenzgänger, sich vor und nachdem sie wieder ein Protokoll aufgenommen hatten, mussten die Herrschaften effektiv eine Summe bezahlen, die nicht sehr groß war und wurden auf freien Fuß gesetzt. Wir standen indessen da und warteten, mit uns einer von denen die mit uns gekommen waren und den die Grenzer schon zum zweiten Male beim Grenzübertritt ertappt hatten. Trotzdem ließ sich die Sache zunächst noch recht harmlos an und wir wurden genau dasselbe gefragt wie die anderen, die schon frei waren, aber auf eine Frage von mir, ob wir bald gehen könnten, lächelten die Franzosen nur mitleidig und erklärten mir, wir würden an die Inspektionsstelle in Innsbruck überwiesen, es wären schon mehrere Leute da, die nebenan in einer Zelle warteten, so dass es morgen nach Innsbruck auf dass "Gouvernement Militair" gehen würde. Na, das waren ja nette Aussichten. Das Wort Zelle hatte mir gar nicht gefallen und ich nahm an, wir würden sehr bald allen ernstes mit dem anderen einträchtig in einer Gefängniszelle zusammenhocken.

Tatsache, nachdem die Herren uns genug ausgefragt hatten, unser Gepäck genau durchsucht worden war und mir der französische Befehlshaber der Grenzstation, meinen oder besser Karlos Fotoapparat, den ich mit hatte, so fast geklaut hatte, der Mann gab mir für den Fotoapparat ganze 75 Schilling, wurden wir einem österreichischem Polizeibeamten übergeben, der uns in eine Zelle führen sollte.

Eine schwere Tür wurde geöffnet und wir mussten wohl oder übel eintreten. Kaum waren wir drinnen, wurde die Tür verriegelt und wir saßen fest. Alleine waren wir beileibe nicht, denn es befanden sich außer uns zweien, noch weitere fünf Mann in der Zelle, vier die schon drinnen gesessen hatten und der eine, der mit uns zusammen hineinkam. Erst mal besannen wir uns auf Sitten und Gebräuche und stellten uns vor, denn es wäre ja unhöflich gewesen, wenn wir uns nur gegenseitig angegafft hätten. Dann sahen wir uns in dem Raum, etwa drei Meter lang und zwei ein halb Meter breit, um. Viel war nicht zu sehen, es standen in der Zelle als einziges Inventar zwei Eisenbetten mit Strohmatratzen und auf dem Boden lagen noch zwei weitere Strohsäcke, von denen wir gleich einen beschlagnahmten, denn es war uns ja erklärt worden, wir müssten die Nacht unter diesem Dach verbringen. Eine Decke war auch noch da und da es nicht kalt war, reichte sie für uns zwei zur Not aus. Während Wilhelm und ich uns auf unsere Strohmatratze setzten und ich eine Zigarette rauchte, mit denen ich schon die Franzosen geärgert hatte, da ich gute amerikanische hatte und sie nur komisches Kraut, faselten die anderen von Fluchtversuchen, aber ihr Geschwätz war so albern und es hätte so wenig Sinn gehabt auszukneifen, dass wir lieber unsere Ruhe haben wollten, außerdem wollten wir weiterhin als Spanier gelten und taten daher harmlos.

Leid tat es mir eigentlich, dass wir uns abseits halten mussten, denn mit Ausnahme desjenigen, der mit uns zusammen in die Zelle kam, waren die anderen nette Jungens, die alle Soldaten gewesen waren und nur nach Italien gewollt hatten, weil sie in der Heimat alles verloren hatten. Nun würden sie zwangsläufig zurückbugsiert werden. Na, uns ging es gerade so, denn sehr freiwillig saßen wir beileibe nicht da. Es wurde später uns später und der Magen begann sich zu melden, während die Herren Franzosen keinerlei Anstalten machten, uns etwas Essbares zu bringen. Empört über solche Gastfreundschaft, beschlossen wir gemeinschaftlich eine Revolte zu machen und zwar dadurch, dass wir an die Tür donnerten und etwas zum Essen verlangten. Nachdem wir eine zeitlang randaliert hatten, bequemte sich endlich ein Österreicher zu kommen, der uns erst mal tüchtig anschnauzte und uns dann erklärte, sie hätten um diese Uhrzeit nichts Essbares mehr.

Damit waren wir aber nun keineswegs zufrieden und zeigten unsere Empörung dadurch, dass wir erneuten Radau veranstalteten. Schließlich entschloss sich der Polizist dazu, wenigstens einmal nachzuschauen, ob er nicht doch was besorgen könnte und wirklich brachte er uns mach einer halben Stunde einen Topf voll mit einer Flüssigkeit, die er Suppe nannte, die aber lediglich Wasser mit komischem Geschmack war. Trotzdem löffelten wir das Zeug hinunter, um wenigstens etwas im Magen zu haben, und aßen dazu das letzte Stückchen Brot, das wir noch hatten. Nach der herrlichen Mahlzeit, legten wir uns auf unser weiches Bett und versuchten zu schlafen, was uns aber erst sehr spät gelang, denn es war doch etwas viel, was in unserem Kopf brummte.

Nach schlecht verbrachter Nacht wurden wir früh um Sieben geweckt und der Polizist erklärte uns, wir sollten uns fertig zum Abreisen machen. Das dauerte nicht lange und nach einer viertel Stunde wurden wir auch schon von einem Franzosen abgeholt, der uns nach Innsbruck bringen sollte. Wir mussten nun auf die Straße hinaus und eskortiert von Franzosen und Österreichern marschierten wir zum Bahnhof. Wie die reinen Schwerverbrecher. Die Leute begafften uns natürlich von allen Seiten und ich kam so Sachte in fahrt, denn schließlich hatten wir doch keine Untat begangen. Na, es sollte noch viel besser werden.

Der Zug lief ein und wir wurden in einen Waggon befohlen, der für die französischen Besatzungstruppen reserviert war. Ich saß Wilhelm gegenüber und neben mir der unfreundliche Genosse, der mit von unserer Partie war. Plötzlich stand einer der Franzosen, ein alter Wachtmeister oder so was, auf und befestigte am Handgelenk meines Nebenmannes Handfesseln und erklärte mir, ich solle meine Hand hinhalten, damit er mich mit dem Jüngling verbinden könne!! Na, ich war nicht wenig erstaunt und es war mir nur ein sehr schwacher Trost, dass die Fesselung nicht meinetwegen, sondern des anderen wegen angelegt wurde. Die anderen lachten, aber mir war gar nicht zum Lachen zu Mute, ich wäre dem elenden Wicht viel lieber an die Gurgel gesprungen. Wohl oder übel musste ich mich aber in die Situation hineinfügen, denn die Franzosen hatten durchaus kein Verständnis für meine Gefühle.

Einmal mussten wir noch vor Innsbruck den Zug verlassen und wurden in einem kleinen Ort in das Gefängnis gesperrt, weil die Franzosen zu Mittag speisen wollten. Wir bekamen wieder eine lächerlich Suppe und ein kleines Stück Brot. Nach der Mittagspause, die für uns durchaus nichts erfreuliches hatte, wurden wir wieder in den Zug gesteckt und weiter ging es nach Innsbruck. Nachmittags um 4 Uhr waren wir da.

Schnell waren wir aus dem Zug gestiegen und standen nun auf dem Bahnsteig, wo man uns aber nicht lange in Ruhe ließ, denn die Franzosen befahlen uns, wieder anzutreten und zu zweien wurden wir abgeführt, denn anders kann man das nicht nennen. Ich dachte wir würden nun vor dem Bahnhof in ein Auto gepackt werden, mit dem man uns zum Gouvernement Militair bringen würde, aber nichts geschah und wir tippelten in Kolonne los. Ich hatte, wie gesagt, schon die Wut gekriegt, als mich der Franzose mit dem Jüngling fesselte, aber nun war ich bald dem Platzen nahe, das war mir denn doch zu viel, durch die ganze Stadt zu laufen, von Franzosen und österreichischen Polizisten bewacht und mit Handschellen gefesselt! Und das blöde Schwein, deswegen ich so herumlaufen musste, begrüßte auch noch laufend Freunde, die auf der Straße uns begegneten, denn der Lump war Österreicher und aus Innsbruck. Jedenfalls, dem Kollegen habe ich deutlichst meine Meinung gesagt. Zumindest ging er jetzt still neben mir her, denn sonst hätte ich ihm doch noch trotz Franzosen und Polizei mitten auf der Strasse in die Fresse gehauen.

Nach einem, wie mir vorkam, ewig langen Spaziergang, kamen wir endlich am Gouvernement Militair an, wo wir erst mal in eine Zelle gepackt wurden. Sogar hier blieben wir weiterhin gefesselt, denn die Leute wollten uns gleich weiterführen. Es dauerte denn auch nur eine halbe Stunde und wir wurden abgeholt und in das Gebäude der Militärregierung geführt. Wir mussten in ein Zimmer treten, an dessen Tür zu lesen war: Lieutenant Juge. Also die hohe Gerichtsbarkeit. Vorläufig sollten wir allerdings die hohen Herren vom Gericht noch nicht zu sehen bekommen, denn wir wurden nur durch eine österreichische Sekretärin bedient. Einer nach dem anderen musste zu diesem schönen Mädchen hin und ein Protokoll wurde aufgenommen. Wilhelm und ich hatten ja inzwischen genug Zeit gehabt uns darüber klar zu werden, was wir aussagen würden und so ließen wir denn eine Geschichte von Stapel, die jedenfalls rein von jeder Wahrheit war.

Wir waren Spanier, waren zum studieren nach Wien gefahren (zum Glück kam keiner auf den dummen Gedanken, uns nach Wien zu fragen) und dort hatte uns der Zusammenbruch und der Einmarsch der Russen überrascht. Da wir wussten, dass die Russen die Spanier nicht sonderlich liebten, hatten wir uns versteckt und hatten lange Zeit bei Bauern in der Umgebung Wiens gelebt und auf dem Felde gearbeitet. Angemeldet hatten wir uns natürlich nirgends und daher hatten wir auch keine weiteren Papiere als unsere Geburtsurkunden, alles weitere, hatte man uns abgenommen. Später waren wir dann, um nach Spanien zurückzukehren, durch die amerikanische Zone in die Französische gekommen, von wo aus wir dann versucht hatten, über die italienische Grenze zu wandern, um nach Genua zu gelangen und von dort aus per Schiff nach Spanien zu fahren. In Wien hatten wir angeblich in einem Studentenheim gewohnt, das kurz vor Kriegschluss durch Bomben zerstört worden war. Warum auch nicht, es war wahrhaftig so viel kaputt gegangen, dass es auf ein Studentenheim mehr auch nicht ankam.

Was mir bei der ganzen Sache sehr von Vorteil war, war, dass ich mich die ganze Zeit über auf Französisch verständigen konnte, denn Deutsch wollten wir nicht sprechen, da man zu leicht hätte merken können, dass wir es perfekt sprachen. Wilhelm versuchte es auch auf Französisch oder sprach das Deutsche so schlecht wie irgend möglich aus. Nachher wollten die Brüder noch ein Lichtbild haben, aber da war ich doch dagegen und so hatte ich die drei die ich besaß so gut versteckt, dass sie auch bei einer Leibesvisitation nicht leicht gefunden werden konnten. Da man uns in dem Raum in dem wir uns befanden, keinen Stuhl anbot, machten wir es uns selber bequem, indem wir uns kurzerhand auf den Boden setzten. Zigaretten hatte ich, also rauchte ich, Aschenbecher waren nicht da, also machte ich es den herumlaufenden Franzosen nach und die Asche wanderte auf den Boden. Erstaunlicherweise protestierte niemand gegen unser unmögliches Benehmen. Na, es dauerte etwa zwei Stunden, bis wir alle abgefertigt waren und dann wurden wir von den Franzosen den Österreichern übergeben, die uns ins Loch führen sollten. Wir kamen also auf eine Polizeistube, wo man uns wenigstens Sitzgelegenheit gab und sollten dort warten bis uns ein Auto abholte, das uns nach Zierl, einem Ort dicht bei Innsbruck, führen sollte.

Vorläufig hingen wir noch ganz in der Luft, denn das wir uns mit unserer Annahme, bald wieder freizukommen getäuscht hatten, merkten wir inzwischen. Aber wir hofften trotzdem, dass der Spaß bald zu Ende sein würde und ahnten dabei nicht, dass uns das Schlimmste noch bevorstand.

Bald kam ein Gefängniswagen und wir mussten hineinklettern. In schneller Fahrt ging es nun aus Innsbruck hinaus und auf die Landstrasse. Eine halbe Stunde Fahrt und wir waren in Zierl. Dort kamen wir erst einmal auf die Gendarmerie Francaise, wo uns ein dicker und ekliger Franzosee nicht gerade freundlich begrüßte, was allerdings nicht zu verwundern war, denn wir hatten ihn aus einem süßem Gespräch mit einer Schönen gestört. Nun musste er sich aber wohl oder übel dazu herablassen seine Schönheit einen Augenblick zu verabschieden, um uns unser neues Quartier zu zeigen.

Es lag direkt der Gendarmerie gegenüber, nur ein wenig schräg und es war Gott sei Dank kein Gefängnis, sondern nur der Sitz der österreichischen Polizei, wo ein Raum in Zelle umgewandelt worden war.

So marschierte ich nun in meine vierte Zelle. Wie wir sahen, waren wir nicht die Ersten, denn es befanden sich schon drei Leute drinnen, zwei Ukrainer und ein Pole, die ebenfalls wegen Grenzübertritts saßen. In dem Raum standen zwei Doppelkojen und auf dem Boden lag eine alte Matratze. Nun waren wir für insgesamt fünf Liegestätten aber zehn Mann, so dass wir immer zu zweit eine Schlafgelegenheit benutzen mussten. Wilhelm und ich zogen es vor, die klapprigen Betten nicht zu berühren und organisierten uns den Matratzenähnlichen Sack. Wenigstens hatten wir drei Decken, so dass wir eine als Unterlage, eine als Kopfkissen und eine zum Zudecken benutzen konnten.

Anscheinend war man auch hier der Meinung, wir kämen ohne Essen durchs Leben, denn wir mussten erst einen tollen Radau veranstalten, bevor die Herren sich entschlossen uns etwas Essbares zu bringen. Dass wir etwas gutes bekamen kann man beileibe nicht behaupten, aber es war wenigstens der Menge nach so reichlich, dass man für den Augenblick satt wurde. Es war eine Suppe und dann eine Art schwarze Bohnen. Zum Nachtisch verteilte ich meine letzten Zigaretten und so hatte auch dieses Vergnügen ein Ende.

Die beiden Ukrainer und der Pole entpuppten sich als recht nette Burschen, so dass man wenigstens so seine Ruhe hatte. Ein Problem war vor allem das Verschwinden, denn für größere Geschäfte musste man immer warten, bis mal der Wachhabende die Tür öffnete und dann hatte man auch nur so kurze Zeit wie irgend denkbar. Die kleineren Sachen erledigten wir in einem Eimer, der in dem Raum der uns als Zelle diente stand und der einen Gestank verbreitete, dass uns übel wurde. Waschen konnten wir uns ganz notdürftig morgens in einem anderen Eimer, der von allen benutzt wurde. Es waren wirklich tolle Zustände. Wir beklagten uns auch und schimpften wie die Tollen, aber es wäre besser gewesen, dass wir nichts gesagt hätten, denn die Österreicher wurden nur noch unfreundlicher.

Wie man uns erklärt hatte, sollten wir in diesem Raum sitzen, bis wir zur Gerichtsverhandlung abgeholt würden. Und die Tage vergingen.

Vier Tage hatten wir nun in dem Loch gesessen, als wir noch einen Gast bekamen und zwar einen, Juden, der wegen Schwarzhandels eingelocht werden sollte. Ich fand dass der gute Mann noch von den Franzosen mit ziemlich viel Hochachtung behandelt wurde, er bekam sogar Erlaubnis sich Sachen kaufen zu lassen und ähnliche Dinge.

Gerechtigkeit der Welt. Dann erzähle der Bruder immer von den bösen Deutschen, die "hunderttausende Jüd habe se erschlage". Der Erzidiot hing uns bald allen zum Halse raus, auch die Ostvölker nicht ausgeschlossen und wir waren deshalb recht froh, als der Bruder uns am nächsten Tags unserer Haft in Zierl, verließ, um in eine andere Herberge überzusiedeln. Und wir durften inzwischen weiter warten und in diesem Stinkloch wohnen.

Am Abend des sechsten Tages kam ein Österreicher rein zu uns und erklärte, wir würden am anderen Tag abgeholt, um vor Gericht zu kommen. Das konnte ja nett werden, nachdem wir nun schon 6 Tage eingesperrt waren, sollten wir jetzt noch vor Gericht kommen, wo man uns erst richtig verurteilen würde, denn um uns freizulassen, bräuchten wir ja nicht vor ein französisches Militärgericht. Der Österreicher gab außerdem jedem von uns zwei Wische, einen den wir unterschreiben sollten und einen der uns gehören würde. Es waren die Anklageschriften, die bei allen auf verbotenen Grenzübertritt lauteten. Nun kam unsere letzte Nacht in der Zelle von Zierl, am frühen Nachmittag des nächsten Tages kam ein Franzose herein, der uns auf aufforderte, unsere Sachen zusammenzuräumen und klar für die Abfahrt nach Innsbruck zu sein. Na, was wir besaßen war sowieso klar.

Also verließen wir nun diesen ungastlichen Ort, nur die zwei Ukrainer und der Pole blieben sitzen, sie hatten nur noch fünf Tage Strafe und sollten die hier verbringen. Wir wurden also jetzt in einen Wagen gesteckt, der keinerlei Sitzgelegenheit hatte und setzen konnten wir uns nicht, denn der Boden des Wagens war so dreckig, dass uns sogar jetzt unsere Anzüge zu schade waren. Die Fahrt sollte ja auch nicht lange dauern und wir hatten uns reichlich ausgeruht, obschon wir bei der Verpflegung die wir bekamen, nicht gerade dicker geworden waren. In Innsbruck angekommen konnten wir aber nicht sogleich unsere Glieder strecken, denn die Franzosen fuhren erst mal in ihre Kaserne, wo sie sich noch nachträglich Essen holten, während wir im Wagen eingesperrt blieben, mit einem Posten vor der Wagentüre. Erst vier Uhr nachmittags kamen die Herren endlich und die Fahrt konnte weitergehen. Wir fuhren zur Gerichtsverhandlung wie man uns sagte.

Nach kurzer Fahrt hielten wir vor dem Gebäude der Militärregierung und mussten aussteigen. Man führte uns einige Treppen hinauf und in einen kleinen Raum, der für Leute bestimmt war, die Angeklagt waren und zur Verhandlung sollten. Da auch in diesem Raum keine Bänke oder Stühle waren, ließen wir uns nicht faul auf dem Boden nieder und warteten der Dinge, die nun kommen sollten. Auch hier trafen wir noch einige Leute, die auch auf ihre Aburteilung warteten, wir waren im Ganzen neun Leutchen. Nach längerem Warten kam endlich das hohe Gerichtscorps an und die Sache konnte beginnen. Einer der Leute die wir getroffen hatten wurde als erster aufgerufen und musste einem Franzosen in den Gerichtsaal folgen. Wir hatten eigentlich gedacht, dass wir alle zusammen auf der Anklagebank sitzen würden, aber nun sollte einer nach dem anderen abgefertigt werden.

Lange dauerte der erste Mann nicht, denn schon nach fünf Minuten kam er raus und zwar mit recht zufriedenem Gesicht, denn er war zu 25 Tagen Gefängnis verurteilt worden, wobei ihm die Untersuchungshaft angerechnet wurde, die gerade so lange gedauert hatte, so dass er am selben Tage der Verurteilung entlassen werden würde. Sein Verbrechen hatte darin bestanden, dass er wie wir versucht hatte nach Italien zu gehen, um aus dem Konzentrationslager Deutschland und Österreich hinauszukommen. Dem zweiten ging es gerade so, er sollte auch am selben Tage zur Entlassung kommen. Dann kamen die dran, die noch nicht so lange gesessen hatten und wir merkten bei jedem der wieder zurückkam, dass der Franzose der das Gericht anführte, ganz wahllos die Strafen verteilte, denn wir hatten alle genau dasselbe verbrochen und dafür bekam der eine vierzig Tage Gefängnis, der andere nur vierzehn. Na, das konnte ja nett werden, denn wenn wir bisher gehofft hatten, bald wieder frei zu werden, so waren unsere Hoffnungen gänzlich geschmolzen und wir wünschten uns nur noch möglichst gut dabei wegzukommen.

Wilhelm wurde aufgerufen. Er verschwand mit seinem Franzosen im Gerichtssaal und kam nach etwa zehn Minuten raus. Er erzählte mir, dass man ihn zu l4 Tagen Gefängnis verurteilt hatte, wobei die Untersuchungshaft einberechnet würde, also musste er noch eine weitere Woche sitzen. Später stellte sich heraus, dass er wohl den Herrn Richter nicht richtig verstanden hatte, denn er blieb noch zwei Wochen im Karzer. Der übernächste nach Wilhelm war ich und mit dem vergnügtesten Gesicht das ich aufsetzen konnte folgte ich meinem Gendarmen in den Saal. Es war dies ein richtiger Gerichtssaal mit allem Komfort und über dem Tisch des Richters hing die Tricolore.

Das Theater begann. Das einzige was fehlte waren die Zuschauer, die sonst einer Gerichtsverhandlung immer beiwohnen. Es waren nur da der sogenannte Richter, ein sogenannter Verteidiger, der aber während der ganzen Zeit keinen Ton sagte und eine Frau, die als Dolmetscherin fungierte. Sonst saßen auch noch einige rum, die wohl Schreiber oder Wachpersonal waren. Also war in dieser Hinsicht die Sache nicht so furchtbar feierlich.

Der Herr Richter fing nun an zu sprechen und zählte meine Schandtaten auf, die aber bald aufhörten, denn wir konnten ja nur des verbotenen Grenzübertrittes angeklagt werden. Nachdem der gute Mann ruhig war, wollte die Frau Dolmetscherin anfangen mir den ganzen Zauber auf Deutsch zu erzählen, aber da ich keine Lust hatte noch einmal alles über mich ergehen zu lassen, erklärte ich, ich hätte es auch auf französisch verstanden, worauf sie mich süß lächelnd fragte: "est-ce que vous parlez francais", worauf ich natürlich mit aller Frechheit erklärte ja.

Von nun an trat die Weiblichkeit nicht mehr in Erscheinung und die Verhandlung nahm auf Französisch ihren weiteren Verlauf. Es war auch nicht schwer alles zu verstehen, denn es herrschte größte Ruhe und die Leute sprachen sehr deutlich. Dauernd wurde mir vorgehalten, dass ich die "frontiere clandestinement franchiert" hätte und schließlich fragte mich der hohe Richter, ob ich meine Schuld einsähe, worauf mir nichts anderes übrig blieb als wiederum ja zu sagen. Dann schwieg die Versammlung eine kurze Weile und sodann verkündete der Richter das Urteil: es lautete auf "20 jours de prison" vom Tage der Verhaftung an gerechnet. Er fragte mich noch überflüssigerweise ob ich die Strafe annähme und denn wurde ich wieder abgeführt. Also durfte ich nun noch für vierzehn Tage ins Gefängnis und dabei hatte ich die Nase schon gerade voll genug, aber gegen die richterliche Gewalt kommt man eben nicht an.

Mit Wilhelm besprach ich nun das Theater und wir bereiteten uns nunmehr moralisch auf die weitere Haft vor.

Eine große Angst hatten wir und das war, dass wir dachten, die Franzosen könnten uns vielleicht, wenn wir erst einmal eingesperrt waren, vergessen und dann könnten wir lange sitzen, nicht nur zwei Wochen.

Da ich einer der letzten gewesen war, die frisiert wurden, wurden wir bald wieder abgeholt und man erklärte uns nun, wir würden in der Innsbrucker Haftanstalt unsere Tage absitzen. Weit hatten wir nicht mehr zu laufen, unser Leidensweg dauerte nur noch zehn Minuten. Dann standen wir vor der Haftanstalt.

Das Innsbrucker Gefängnis liegt mitten in der Stadt, ein großer hässlich grauer Block, der mit seinen vergitterten kleinen Fenstern nicht sehr berückend aussieht. Wir mussten noch einige Zeit auf der Strasse warten und waren dann letzten Endes froh, als wir in unsere neue Behausung treten konnten, denn die Begaffung durch die Passanten fiel uns so sachte auf die Nerven.

Durch einen engen Gang wurden wir vor das Zimmer des Gefängnisdirektors geführt, wo wir in Empfang genommen werden sollten. Erst kamen die dran, die heute ihren letzten Tag hier verbracht hatten und die sofort zur Entlassung kommen sollten. See bekamen ihre Sachen ausgehändigt und zogen sehr froh los, wogegen wir bedeutend weniger erfreut dablieben. Nun wurden wir abgefertigt. Von jedem wurden auch hier genaue Daten aufgenommen, die bei uns beiden natürlich genau dieselben waren wie bei allen vorherigen Verhören. Dann wurden wir nach Krankheiten und ähnlichen Dingen gefragt und zum Schluss bekam jeder einen Beutel, in den wir unsere Habseligkeiten tun sollten, mit Ausnahme der Wäsche. Es wurde uns alles abgenommen, nicht einmal Uhren und Ringe durften wir behalten. Dann bekam jeder eine Zelle angewiesen und leider nahm man bei der Verteilung dieser Unterkünfte keine Rücksicht auf private Wünsche, denn wir wurden jeder in einer anderen Zelle untergebracht. Nachdem die Verteilung beendet war, wurden wir abgeführt, jeder bekam eine Wache mit und los ging es, durch lauter Gänge, die oft durch dicke Eisentüren unterbrochen waren. Dauernd mussten wir halten, damit der Gefängniswärter die Türe aufschloss, die dann nach dem Durchgang gewissenhaft wieder geschlossen wurde. Wir kamen uns bald wirklich als sehr gefährliche Menschen vor. Endlich kam ich mit meinem Mann vor meiner Zelle an, es war Nr.14. Eine dicke Tür und ein kleines Guckloch.

Die Tür wurde von den verschiedenen Riegeln befreit und ich durfte eintreten. Vor mir sah ich ein neckisches Bild, ein winziger Raum, etwas über drei Meter lang und vielleicht zwei Meter breit, in dem zwei Bettgestelle standen, auf denen noch drei Strohmatratzen lagen. In einer Ecke war ein kleines Waschbecken und in der anderen ein Örtchen, ohne irgendwelchen Schutz drum. Dann war noch ein direkt lächerliches Tischen drinnen und drei Hocker. Und zu diesem Idyll gehörten vier Leute, der fünfte wurde ich.

Mein Gepäck, bestehend aus Zahnbürste, Gabel und einem Hemd hatte ich bald untergebracht und so konnte ich drangehen, mit meinen Genossen in Verbindung zu treten. Ich war, wie ich schnell merkte, in einen ziemlich fiesen Verein gekommen, wenigstens war von den Brüdern keiner des Mordes angeklagt, alle mit einer Ausnahme aber des Raubüberfalles und vielfachen Diebstahles. Der letzte war zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er als Student der Medizin verbotene Eingriffe gemacht hatte. Immerhin war ich neben der Blase ein sehr harmloses Kerlchen. Gott sei Dank! Immerhin musste ich feststellen, dass die guten Männer nicht sehr reumütig waren, sie glaubten vielmehr, mit ihren Schandtaten angeben zu müssen und so wusste ich nach einer Stunde über den Lebenslauf meiner Zellengenossen genauestens bescheid. Dass sie mir keine Märchen erzählten konnte ich dadurch feststellen, dass sie mich baten, ihnen Ihre Anklageschriften zu übersetzen, die auf Französisch abgefasst waren und bei jedem Punkt der Anklage wurde mir die Tat mit allen Einzelheiten erzählt.

So war ich denn, zum ersten Mal und hoffentlich zugleich zum letzten, in ein richtiges Gefängnis gekommen. Und drei Wochen sollte ich darin aushalten, das vorausgesetzt, dass die Franzosen uns nicht vergaßen, was nach Aussagen der Leute recht häufig der Fall war. Schöne Aussichten waren es jedenfalls.

Normalerweise waren die Zellen in denen wir zu fünft hausen mussten, für zwei Leute gedacht, aber die große Menge kleinerer und größerer Verbrecher musste untergebracht werden und so mussten wir eben auf dem Haufen hocken. Wie eng die Angelegenheit war, merkte ich besonders als es zum Schlafen ging. Es wurden drei Matratzen auf den Boden gelegt, zwei nebeneinander und eine abseits. Auf den nebeneinander liegenden mussten sich vier Mann zur Ruhe legen und zwar legten wir uns nicht lang auf die Matratzen, denn so viel Platz wäre nicht gewesen, sondern quer darauf, so dass man die Beine beim Schlafen nicht ausstrecken konnte, da die Wand einem einmal daran hinderte und dann hätten die Beine auch unten im Freien gehangen. Nur einer von uns hatte es etwas bequemer, indem er eine Matratze für sich alleine besaß. So verging der erste Nachmittag in meiner Zelle und ich konnte nach langem Wachliegen endlich einschlafen, um am anderen Morgen um 7 geweckt zu werden, ein sehr sinnlose Angelegenheit, denn man hatte den ganzen Tag doch nichts zu tun, als dazusitzen und bestenfalls etwas zu lesen, denn eine Zelle bekam alle Woche fünf Bücher, die bei der vielen Zeit die man hatte natürlich in zwei Tagen ausgelesen waren.

Aber man war ja in einem Gefängnis und nicht in einem Kurort und so musste man alles schweigend hinnehmen. Nach dem Aufstehen musste erst einmal der "Saal" gesäubert werden, was mit Hilfe eines Lappens in einer Minute geschehen war, dann wurde das "Bett" zusammengeräumt und sich gewaschen, was auch nicht viel zeit in Anspruch nahm, denn in einer halben Stunde waren wir mit allem fertig. Halb acht nun rasselte es vor der Tür, die Schlösser wurden zurückgeschoben und der Morgenkaffee oder besser Morgentee oder noch besser das Morgenwasser wurde uns gebracht. Sogar "servicio a domicilio". Das frugale Frühstück bestand also aus einer warmen oder heißen Brühe, die sich Tee schimpfte, und aus einem halben Brötchen, aus sehr dunklem Mehl.

Schluss, mehr gab es nicht. Ich dachte, am besten sie hätten uns gar nichts gegeben, denn so hatten wir bloß noch mehr Hunger als vor dem "Frühstück". Nach dem male, wurde für die Leute, die sich rasieren mussten, die Rasierapparate hineingereicht, und zwar durch ein Guckloch, denn man durfte ja in der Zelle kein Messer oder sonst was haben, was schneiden konnte, also vor allem keine Rasierklingen. Nachdem wir uns also rasiert hatten, mussten die Apparate wieder abgegeben werden und es wurde genau aufgepasst, dass keine Rasierklinge fehlte, was aber trotzdem nicht viel nützte, denn wir hatten in der Zelle doch eine, die dazu benutz wurde, um für die Zigaretten, die man, wenn vorhanden, rauchen konnte, Feuer zu machen. Dies Feuer machen war eine ganz besondere Prozedur. Dazu gebraucht man einen Kamm, aus Bakelit, die besagte Rasierklinge, ein Stückchen Feuerstein und eine Bürste oder sonst ein Stück Holz. Mit der Rasierklinge wurde nun von dem Kamm ein kleines Häufchen von der Bakelitmasse abgeschabt und aufgehäuft, dann wurde das Stück Feuerstein in eine Einkerbung des Holzes oder der Bürste eingeklemmt und mit der Klinge wurden Funken erzeugt, bis die Bakelitmasse brannte. Da das Feuer nur eine kleine Sekunde anhielt, musste man schon mit der Zigarette bereitstehen um den Augenblick sofort wahrzunehmen und sie anzustecken. Solcherlei kleine Tricks konnte ich von den Kollegen, die schon lange saßen, viele abgucken. Um elf gingen wieder die Schlösser an der Tür und wir wurden alle zum Spaziergang angeholt, der theoretisch eine Stunde dauern sollte, in Wirklichkeit aber schon nach einer halben bis dreiviertel Stunde aufhörte. Jedes Mal wurden wir untersucht, ob wir nicht doch irgend einen Gegenstand bei uns hätten und würde einer geschnappt, kam er sofort in die Dunkelzelle bei Wasser und Brot. Also nahm man lieber nichts mit. Wenn alle vor den Zellen angetreten waren, ging es los.

Durch die Gänge des Gefängnisses und an vielen Zellen vorbei, immer mit pausen, da die Türen, bestehend aus dicken Eisenstäben, aufgemacht werden mussten, ging es bis in den Hof, der sehr klein war und in der Mitte einen kleinen Gemüseanbau hatte. In diesem Hof fand nun der tägliche Spaziergang statt, immer im Viereck herum und man musste dabei schnell gehen und durfte sich nur mit seinem Nebenmann unterhalten, stehen bleiben war streng untersagt und die Hände durfte man auch nicht in die Hosentaschen stecken. An jeder Ecke des Hofes standen, ganz überflüssigerweise, Polizisten mit Gewehren. Überflüssig war es, da die Mauer so hoch war, dass man auf keinen Fall hätte drübersteigen können. Statt zu ermuntern, waren diese Spaziergänge, wenigstens für mich, bedrückend, denn man sah in der Sonne die hohen Berge von denen Innsbruck umgeben ist liegen und hörte draußen auf der Strasse die Menschen reden und die Autos und Straßenbahnen vorbeifahren, während wir eingesperrt waren und keinen Schritt gehen konnten, der nicht erlaubt war und nicht bewacht war.

Nach dem dreiviertelstündigem Spaziergang wurde die Tür zum Gefängnis wieder geöffnet und wir marschierten durch das Gewirr von Gängen in unsere Zellen zurück, um nur noch sehnsüchtig auf das Essen zu warten, denn man hatte stets einen Hunger, der richtiggehend fatal war. Um zwölf Uhr oder um halb eins, hörte man im Gang wieder das Rollen der großen Bottiche, in denen sowohl Tee, wie auch Kaffee ausgegeben wurde. Vor jeder Zelle hielt dar Bottich an und dann musste einer hinter dem anderen mit einer Schüssel in den Gang treten, um seine Portion zu empfangen, die lächerlich klein war. Es ist mir jetzt noch schleierhaft, wie die Leute, die mehrere Jahre im Gefängnis sitzen überhaupt leben können von so wenig Essen. An und für sich war die Qualität der Mahlzeiten nicht schlecht, aber man hatte nach dem Essen mehr Hunger als zuvor und wenn man morgens aufstand oder sich von einer Bank erhob, tanzten einem Sterne vor den Augen. Nach dem Mittagessen konnte man nichts besseres tun, als sich zum schlafen hinzulegen und ich habe im Gefängnis gelernt, zu schlafen auf Kommando, denn müde konnte man nicht gut sein, wenn man überhaupt nichts zu tun hatte. Durch diese Schlaferei aber verging einem die Zeit etwas schneller und man konnte, wenn man sich um 4 Uhr wieder erhob, sich auf das nun bald folgende Abendessen freuen, das aber auch nur sehr mäßig war. Sonst tat ich weiter nichts als denken oder etwas lesen und wenn die Bücher auch sehr dumm waren in ihrer Mehrzahl, so las man doch um nur die Zeit totzuschlagen. So verging der Tag und es wurde Abend.

Und so, immer eintönig vergingen vier Tage, als ein Ereignis, allerdings sehr unbedeutend für den Weltverlauf, wenigstens etwas Abwechslung brachte. Ein Gefängniswärter machte bei unserer Zelle das Guckloch auf und rief hinein, ich sollte mich bereit halten, um in ein andere Zelle umzuziehen. Viel Vorbereitung brauchte ich in nicht zu treffen und so war ich, als ich nach zehn Minuten abgeholt wurde , lange fertig. Meinen Zellengenossen, die immerhin noch einige Jahre oder Monate vor sich hatten, wünschte ich Glück und ließ mich von dem Wärter in meine neue Behausung führen. Die neue Zelle lag im unteren Stockwerk und hatte von innen den Nachteil, dass man durch das kleine Gitterfenster die große Kirchturmuhr sehen konnte, so dass man noch zu al1em Überfluss gut beobachten konnte, wie langsam die Zeit verging. Auch hier waren wir fünf Mann in der Zelle, zum teil hatte ich bessere Leute, die nur das gleiche Verbrechen wie ich auf dem Kerbholz hatten, aber in einem Fall hatte ich es jetzt mit einem Mörder zu tun, einem schon sehr alten Mann, der in betrunkenem Zustand einen Mord begangen hatte. Auch war der gute Herr geistig nicht zurechnungsfähig und hätte eher ins Irrenhaus als ins Gefängnis gehört. Um die Sache noch beruhigender zu machen, hatte der Gute die Eigenschaft, sogar in der Zelle seine Kumpane zu beklauen. Da er aber wie gesagt verrückt war, konnte man mit ihm wenigstens tun was man wollte und so wiesen wir ihm morgens beim Aufstehen eine Platz zu, möglichst nicht ganz neben uns, wo er den ganzen Tag zu bleiben hatte, denn von allen anderen Dingen abgesehen, wusch sich die Drecksau überhaupt nicht, so dass er nicht gerade lieblich duftete. Einmal wurde er plötzlich wild und wollte unbedingt am vergitterten Fensterchen hochklettern und als wir ihn daraufhin nicht gerade zart in seine Ecke bugsierten, fing er an zu schreien: Mörder, Hilfe ! und gegen die Tür zu ballern, was zur Folge hatte, dass er erst mal von uns vermöbelt wurde und dann doch endlich einen Wärter anlockte, der ihn wenigstens auf einige Stunden für den Radau bestrafte und in den Keller sperrte. Da sich aber irgend ein Theater mit dem Menschen an jedem Tag wiederholte, kümmerten sich die Wärter nicht mehr besonders darum und meinten wohl das diene zur Verschärfung der Strafe für die anderen Mitgefangenen.

Sonst war in dieser Zelle noch ein Jugoslawe, der, auch im Suff, einen zum Krüppel geschlagen oder geschossen hatte, der aber sonst sehr ruhig und nett war, wenn man das so bezeichnen darf. Die beiden anderen Zellengenossen waren Reichsdeutsche, die wie ich versucht hatten nach Italien zu kommen und nun auch zwei bis vier Wochen saßen.

In dieser Zelle war unsere Hauptbeschäftigung Karten, Skat zu spielen, mit einem Kartenspiel, dass so alt war, dass man sich die meisten Karten merken wollte, aber mangels besserer, brachten wir auch so zünftige Spiele zustande.

So war unser Tagesablauf also, wenn man nicht schlief, las man oder spielte Karten. Und so gingen die Stunden dahin, mit sehr viel Zeit und sehr, sehr wenig zu essen. Wie sich nach Entlassung aus dem Gefängnis herausstellte, hat mir körperlich der Nahrungsmangel nicht besonders geschadet, ich habe wenig abgenommen, während Wilhelm in den drei Wochen, die wir in Zierl und Innsbruck gesessen hatten, über sieben Kilo abgenommen hat.

Da nun ein Tag wie der andere verlief und eine große Abwechslung beileibe nicht da war, auch nicht zu erwarten war in einem Gefängnis, will ich das Leben dieser vierzehn Tage nicht länger schildern. Der Tag rückte nun heran, an dem wir zwei also entlassen werden sollten und damit begann die Angst, ob die lieben Franzosen uns auch nicht vergessen hatten. Ich fragte noch am Abend des Tages vor der Entlassung unseren Wärter, ob er denn nichts wüsste, aber er könnte mir nichts sagen, erklärte mir nur, sie erfuhren auch erst sehr kurz vorher, wer in Freiheit zu setzen sei. So schlief ich denn wohl oder übel dem Tags der mir die Freiheit zurückgehen wollte entgegen. Am nächsten Morgan wurden wir wieder durch die Glocke, die das Signal zum aufstehen gab, geweckt und obgleich mir niemand etwas gesagt hatte, nachte ich mich so weit es ging zurecht, in der Hoffnung nun müsste doch jemand kommen und mich herauslassen. Und letzten Endes hatte mich meine Hoffnung auch nicht getäuscht, denn während der Kaffeepott auf der anderen Seite der Zellen entlanggeschleift wurde, kam ein Wärter an unsere Zelle und hieß mich mit meinem Topf heraustreten, ich sollte vor den anderen meinen Morgentrunk empfangen, da ich in einer viertel Stunde marschbereit in die Freiheit sein sollte. Na, ich bin vielleicht gewetzt! Die mir zugesagte viertel Stunde war noch nicht um, als ich auch schon abgeholt wurde und meinen Rasierapparat, der mir abgenommen worden war, bevor ich in die Zelle trat, in Empfang nehmen konnte. Dann ging es den selben Weg zurück, den ich bei meiner Einlieferung gekommen war und wieder wurde vor dem Raum der Gefängnisdirektion halt gemacht, diesmal aber um alles zum Abhauen fertig zu machen, was mir aber lieb war, wie anzunehmen ist. Es war alles so haste was kannste gegangen, dass ich nicht einmal Zeit gehabt hatte, mich von meinen Zellenmitbewohnern zu verabschieden. Nunmehr ging alles sehr rasch, ich bekam meine Sachen ausgehändigt, musste noch einen Entlassungswisch unterschreiben und in Empfang nehmen und durfte dann meiner Wege gehen. Da aber Wilhelm, von dem ich nur wusste, dass es mit seinen vierzehn Tage doch Essig gewesen war und er noch saß, nichts hörte und sah, erkundigte ich mich doch noch ob er denn nicht auch frei käme und ich erfuhr, dass er auch schon geholt worden wäre und sogleich kommen müsse. Um nicht auf der Strasse vor dem Gefängnis herumzulaufen und dumm aufzufallen, bat ich darum, auf ihn warten zu können, was mir auch gnädigst gestattet wurde.

Bald darauf trat Wilhelm auch in den Raum und wir begrüßten uns erfreut und nachdem Wilhelm auch seine paar Sachen erhalten hatte, ließen wir uns sehr freiwillig aus diesem verteufelt ungastlichen Hause weisen.

Nun standen wir also auf der Strasse und waren auch noch nicht ganz frei, denn auf dem Papier, das wir zur Entlassung noch mit bekommen hatten, stand drauf, dass wir uns auf der Militärregierung beim Leiter der Abteilung für Ausländer zu melden hatten.

Wenn dadurch unsere Freiheit auch nicht hundertprozentig war, so war es uns andererseits doch wieder recht, da wir nicht nach Deutschland zurückwollten und doch irgendwo unterkommen mussten, was am leichtesten in irgend einem UNRRA-Lager der Fall sein konnte. Also entschlossen wir uns, sogleich auf die Militärregierung zu gehen, denn wir hatten unter Andrerem auch keine Lebensmittelmarken ohne die man nichts zu Essen bekommen konnte. Nach einer kleinen Wanderung durch die Stadt, bei der wir unsere Freiheit genossen, kamen wir vor dem Gebäude der Militärregierung an und ließen uns auf das Zimmer für Ausländerangelegenheiten verweisen. Es empfing uns ein junger Leutnant, der einzige Franzose den ich in Österreich getroffen habe, der wirklich sich anständig benommen hat und der Mann fragte uns nun nach unseren Wünschen und sagte uns das beste sei wir gingen in ein Lager, er glaubte es seien Lager für Spanier in Kufstein, hart an der deutschen und in Bregenz von Bregenz wusste er es aber nicht so ganz Ich hatte mir schnell überlegt, dass Bregenz nah an der Schweizer Grenze sei und dass ich also von dort die Gelegenheit haben könnte, als von Kufstein, wenigstens ist der Schweiz in Verbindung zu treten und erklärte daraufhin, ich wüsste mit Sicherheit, dass in Bregenz ein spanisches Lager sei und er sollte uns dahin schicken, wenn es ginge. Vorerst nun sagte uns der Leutnant weiter gar nichts sondern schickte uns auf das Lebensmittelamt, um die Lebensmittelmarken abzuholen, denn wir mussten ja wohl oder übel etwas essen. Am Nachmittag sollten wir wieder kommen, dann wollte er uns das weitere sagen. Bevor wir gingen baten wir den Herrn noch uns unsere Papiere zu geben, die die Franzosen uns nicht zurückgegeben hatten, aber er machte nur ein erstauntes Gesicht und erklärte er habe sie nicht, wir sollten mal beim Gericht nach fragen. Also gingen wir schnell zum Gericht und erkundigten uns nach unseren lächerlichen Ausweispapieren also unseren Geburtsurkunden denn mehr hatten wir ja nicht. Dort wusste sie aber auch nichts davon und der dortige Beamte nahm an die Wische seien noch in Zierl! Er hatte wenigstens die Freundlichkeit nach Zierl zu telefonieren und fragte dort nach unseren Papieren und siehe da, sie waren dort noch auf der Wachstube der österreichischen Gendarmerie, man hatte sich also französischerseits, seit dem ersten Verhör nicht mehr unsere Papiere interessiert. Nun wurde uns gesagt, wir sollten nach Zierl fahren uns die Papiere dort abholen, dann so schnell könnten, sie sonst nicht gebracht wurden.

Da nun aber nicht sehr viele Züge fuhren, mussten wir uns wohl oder übel mit der Tatsache abfinden, dass wir diese Nacht noch in Innsbruck verleben würden. Aber wo? Nun erst machten wir uns darüber keine weiteren Gedanken und gingen aufs Lebensmittelamt um uns Marken zu holen. Dort erhielten wir denn nach langem Stöhnen auch Marken und zwar für fünf tage. Halten taten die Dinger nachher bei unserem Appetit nur etwas über zwei tage, aber das war dann nicht mehr so wichtig. Mit den Marken bewaffnet machten wir uns also erst mal, um zu essen und vertilgten dabei fast die Hälfte unseres Markenschatzes, aber unserer Hunger war auch zu groß. Nachmittags um vier dann ging es erneut auf die Militärregierung wo wir wieder von dem jungen Leutnant empfangen wurden, der uns erklärte, wir könnten also wenn wir wollten nach Bregenz fahren. Er fragte uns wenn wir zu fahren gedächten und ob wir Geld für die Reise hätten. Wir erklärten ihm also, dass wir erst morgen fahren könnten, da unsere Papiere in Zierl seien und Fahrgeld hätten wir wohl kaum genug für die lange Fahrt.

Da wir erst morgen fuhren, hatten wir noch Zeit und wollten zusehen, dass er uns bis morgen Freikarten fertig machte und wir sollten sie dann, zusammen mit einem Marschbefehl Mittags bei ihm abholen, sagte uns der Mann. Mehr Entgegenkommen konnten wir denn doch nicht verlangen. Die Nacht könne er uns allerdings nicht unterbringen und wir müssten daher schauen, wo wir übernachteten. Nunmehr machten wir zwei unseren Schlachtplan. Wir beschlossen, dass ich nach Zierl fahren sollte, um die Papiere abzuholen, während Wilhelm eine Unterkunft suchen wollte, unter anderem wollte er sehen, ob wir für eine Nacht noch einmal dort bleiben könnten, wo wir schon einmal gewohnt hatten. Also verabschiedeten wir uns und ich zog zum Bahnhof, um nach Zierl zu fahren. Zum Glück fuhr bald ein Zug, so ich bald zurück sein würde. Eine Sache machte ich trotzdem noch verkehrt, weil ich statt nach Zierl Bahnhof zu fahren nach Hochzierl fuhr, was zur Folge hatte, das ich einen ziemlichen Fußmarsch von Hochzierl nach Zierl machen musste. Da der Weg aber durch einen herrlichen Wald führte, war er ein recht angenehmer Spaziergang. Also kam ich gut in Zierl an und ging auf die Polizeiwache, wo mir auch anstandslos die Papiere ausgehändigt wurden. In unserer ehemaligen Zelle saßen immer noch die zwei Ukrainer und der Pole, die also nicht zur Zeit entlassen worden waren, aber nun hofften anderen Tages auch herauszukommen.

Nun wanderte ich zum richtigen Bahnhof um den Zug zur Rückfahrt zu nehmen und wieder hatte ich Glück, denn nach einer halben Stunde Warten konnte ich zur Abfahrt einsteigen und eine weitere halbe Stunde später war ich in Innsbruck glücklich zurück.

Sofort begab ich mich nun zu dem mit Wilhelm verabredeten Treffpunkt, wo Wilhelm schon auf mich wartete. Er hatte auch sein Ziel erreicht und zwar konnten wir wieder bei der Dame vom ersten Male übernachten. Wir hatten schon Glück.

Also gingen wir noch zum Abendessen und dann gleich in die Koje. Am anderen Tage verabschiedeten wir uns sofort von unserer Gastgeberin und gingen zu unsern Leutnant, der auch wirklich alles für uns fertig gemacht hatte und uns einen Passierschein und einen Marschbefehl übergab auf dem zu lesen stand, dass wir uns im Bregenzer Lager für "verschleppte Personen" zu melden hätten und zwar in der spanischen Abteilung. Wir bedankten und also bei dem Leutnant und zogen los.

Immerhin waren wir einigermaßen frohgemut, denn es war uns nicht einerlei, zu wissen, ob wir ein Dach über dem Kopf haben würden oder nicht. Also gingen wir gleich zum Bahnhof, um uns zu erkundigen, wann der Zug nach Bregenz abgehen sollte. Wir hatten noch Zeit, der Zeitpunkt der Abfahrt war zehn Uhr abends.

Wir wanderten nun also durch die Stadt, hatten auch das Recht, uns Innsbruck nun mal von der Perspektive der Freiheit anzusehen, denn bisher waren wir entweder im Dunkeln in Innsbruck gewesen oder in Hetze und Haft. Durch den Krieg hat Innsbruck im Vergleich zu anderen Orten nur wenig gelitten und es ist eine sehr nette Stadt.

Unser Spaziergang wurde sehr ausgedehnt und ehe wir es uns versahen, mussten wir wieder auf dem Bahnhof, um unseren Zug zu erreichen. Als wir ankamen, konnten wir uns gleich in den Zug setzen und bekamen einen sehr schönen Platz, was allerdings nicht schwer war, da der Zug, sonderbarerweise, so gut wie leer war. Das mutete direkt komisch an, denn wir waren bisher von Deutschland und auch von Österreich nur übervolle Züge gewohnt. Also machten wir es uns bequem und kurze Zeit nach dem Einsteigen ging die Fahrt auch schon los. Ich hatte mir, auf die Fahrkarte die ich noch auf den Lebensmittelamt bekommen hatte, Zigaretten gekauft und beschäftigte mich mit rauchen, was wenigstens den Vorteil hatte, bei allen Nachteilen, dass ich das Hungergefühl vergaß, das wieder anfing tüchtig zu rufen. Um Mitternacht war noch immer sehr viel Platz in unserem Waggon und da wir nicht dumm waren benutzten wir die Gelegenheit, uns ganz breit zu machen, indem wir uns der Länge nach auf die Bänke legten und versuchten zu schlafen, was auch ganz leidlich gelang.

Sonst verlief die Fahrt ohne Störung und morgens um sechs Uhr etwa kamen wir guter Dinge in Bregenz an.

Unser erster Gedanke war nun, unsere letzten Marken aufzuessen, aber damit hatten wir vorerst Pech, denn unseretwegen standen die Bregenzer nicht früher auf und so konnten wir nichts anderes unternehmen als vor dem Bahnhof uns hinzusetzen und zu warten, bis wir in ein Gasthaus oder Kaffee gehen konnten um die Brotmarken umzusetzen um eine Tasse Negerschweiß zu genießen.

Um halb acht bequemten sich denn die Leute uns zu unserem Recht kommen zu lassen und die ersten Häuser wurden geöffnet, darunter ein Kaffee, in das wir sogleich stürzten und unsere Sachen bestellten.

Viel Hunger hatten wir dann auch, bald alles verschlungen und nun wagten wir uns so sachte daran das Weitere zu überlegen.

Wir hatten mehreres vor uns: einmal den Gang auf das Gouvernement Militair, wo wir uns auf alle Fälle melden mussten uns zwar bei der Abteilung "personnes déplassés", dann mussten wir ins Lager und dann hatten wir die Bregenzer Festwoche vor uns, die dieses Jahr wieder gefeiert werden sollte. Also waren wir wenigstens zu einem günstigen Zeitpunkt angekommen und wenn wir auch nicht sehr gesellschaftsfähig aussahen, so würden wir doch wenigstens etwas zu essen bekommen.

Als erstes machten wir uns also auf, die hohe Autorität zu besuchen. Dort wurden wir gar nicht erst groß empfangen, sondern direkt in das Lager der Spanier geschickt, das in einem Kloster liegen sollte. Man beschrieb uns den Weg und wir stiefelten also los.

Es war ein sehr schöner Spaziergang durch das herrliche Städtchen und recht erfreut kamen wir zu dem Kloster, wo das Lager sein sollte. Und es war auch da, nur nicht direkt im Kloster, sondern in einem Nebengebäude, das früher eine Schule gewesen war, wie man aus den verschiedenen Schildern ersehen konnte, die vor den Türen hingen. Nun meldeten wir uns gleich bei dem französischen Lagerleiter, der uns, als wir erklärten wir seien Spanier, gleich als erstes fragte ob wir nach Frankreich wollten oder nach Spanien zurückzukehren gedachten. Da wir beim besten Willen keinerlei Meinung hatten, mit Franzosen Gemeinschaft zu machen, erklärten wir, wir wollten auf jeden Fall nach Hause, also nach Spanien zurück, erzählten ihn auch, was wir dazu unternommen gehabt hätten und banden ihm, um es kurz zu machen, das selbe Märchen auf wie all den anderen Leuten, die uns schon gefragt hatten. Der Mann wurde dadurch nicht unfreundlicher, sagte uns aber unter diesen Bedingungen, könnten wir in diesem Lager nicht bleiben, denn die Spanier, die sich hier befänden, etwa 50 an der Zahl, wollten alle nach Frankreich, um da zu arbeiten.

Nun, wir beharrten aber auf unserem Standpunkt und so sagte er uns, wir sollten erst mal für heute hier bleiben, am anderen Tag dann müssten wir ins andere Lager umziehen, wo etwa sechs Spanier seien, die wie wir nach Haus wollten. Also wies er uns in das Abteil für die Spanier, wo uns als erstes die republikanische Fahne in Großformat entgegen prangte, was gleich keinen guten Eindruck auf uns machte, denn wenn ich mich auch gegen das arme Tuch nichts hatte, die Fahne Spaniens kannten wir nun einmal anders und vor allem die zu diesem Fetzen gehörenden Menschen machten einen reichlich unfreundlichen Eindruck auf uns, der sich mit der Zeit bei 80% der Genossen noch verstärkte. Wir wurden nun von allen Seiten ausgefragt und mussten zum soundsovielten male ein Märchen berichten, das uns schon zum Halse raushing. Mit sehr wenigen Ausnahmen waren die hier anwesenden Spanier alle auf der roten Seite während des Bürgerkrieges gewesen und zwar waren es Leute von der schlimmsten Sorte, die uns mit Stolz erzählten, wie viel Leute sie umgebracht hätten.

Um etwas frische Luft zu schnappen nach diesem Empfang, machten wir einen langen Spaziergang, immer an der Küste des Bodensees entlang, in einer herrlichen Umgebung. Kurz bevor das Mittagessen ausgegeben wurde, kehrten wir zurück und nachdem wir unseren Schlag empfangen und vertilgt hatten, verdrückten wir uns wieder bis zum Abendessen, was vielleicht nicht sehr diplomatisch war, aber mir doch recht, denn ich hatte kein Verlangen nach Verbrüderung mit den Kumpanen. Abends dann hauten wir uns in eine der vielen herumstehenden Kojen und schliefen ein.

Am nächsten Morgen beeilten wir uns, zum Chef zu gehen, damit der uns in ein anderes Lager schickte, wo wir hoffentlich eine andere Gesellschaft , antreffen würden. Er tat dies denn auch, und nachdem wir unsere empfangenen Decken abgegeben hatten, machten wir uns mir unserem kärglichen Gepäck auf den Weg zu den etwa drei Km entfernten Lager. Nach einigem Fragen nach dem "Lager Weidach", wie es hieß, kamen wir denn auch an. Es war dies ein aus größeren Baracken bestehendes Lager und zwar sollten die Leute die dort wohnten nicht in ihre Heimat zurückkehren können oder wollen, es waren da Ukrainer, König-Peter-Yugoslaven und auch Griechen und Rumänen, die unter den herrschenden Unständen lieber ihrer Heimat fern bleiben wollten. Und dazwischen waren wir gesteckt worden! Also wir, die wir auf alle Fälle nach Spanien wollten, sollten in ein Lager für nicht Heimzuführende! Na, erst mal war uns dies wurscht, denn letzten Endes mussten wir vor allen Dingen irgendwo unterkommen. Wir meldeten uns also und wurden gleich und ohne weitere Umstände in ein Zimmer geschoben, in dem noch vier weitere Männer saßen, die sich als vier von den sieben Spaniern entpuppten, die nach Hause zurück wollten. Wir wurden hier sehr nett und mit Hallo begrüßt und obwohl ich glaube, dass die Leute gemerkt haben, dass wir oder wenigstens Wilhelm, nicht ganz rein waren, betreffs des Spanier seins, so sagte doch keiner einen Ton und wir verstanden uns sehr gut, zumal noch einer erschien, der blond und blauäugig war und den schönen Namen Horn führte, der meines Wissens auch nicht gerade spanisch ist. Nun, irgendwelche Kommentare wurden selbstverständlich nicht gemacht und wir waren in der Gruppe drinnen, allerdings mit sehr wenig Aussicht, nach Spanien zu kommen, denn die Franzosen hatten gar kein Interesse uns loszulassen, wozu aber keinerlei Grund vorlag.

Die Unterkunft war recht gut und auch die Verpflegung leidlich, man wurde jedenfalls einigermaßen satt, wenn auch nicht sehr viel Gehalt in den Mahlzeiten war.

Wilhelm und ich hatten durch unser Pech keinerlei Lust, noch mal in ein Gefängnis zu kommen und hatten uns hoch und heilig geschworen, nie wieder die Grenze unerlaubt zu überschreiten, denn wie man auf spanisch sagt, "estabamos escarmentados".

So bereiteten wir uns auf einen längeren Aufenthalt in Bregenz vor. Ich versuchte sogleich nach meiner Ankunft, mit meiner Cousine Lolita aus Basel in Verbindung zu kommen und schrieb mehrere Briefe, die ich aber nie beantwortet sehen sollte. Nach Hause hatte ich schon von Innsbruck aus ein Telegramm geschickt, was uns fast unser ganzes Kapital gekostet hatte und nun erwartete ich eine Antwort über unsere Gastgeberin aus Innsbruck, die ihre Adresse als Absender zur Verfügung gestellt hatte und die sich erboten hatte, uns etwaige Antwort nachzusenden.

Die ersten Tags in Bregenz ließen sich ganz gut an, es war ja gerade die Bregenzer Festwoche und so gab es allerlei zu sehen. Aus der naheliegenden Schweiz kamen viele Gäste nach Bregenz, das selbst eine sehr große Schweizer Kolonie hat und der Betrieb war sehr rege.

Außerdem ist Bregenz ein herrliches Städtchen, eines der schönsten die ich gesehen habe und so wurden wir nicht müde, Spaziergänge zu machen und uns die Stadt und Umgebung anzusehen.

Sonnenuntergänge am Bodensee waren besonders schön und man konnte uns jeden Abend am Ufer sehen, da wir sonst nichts gescheites zu tun hatten, dafür aber einen desto größeren Hunger, kamen wir auf die dümmsten Ideen und eigentlich auch auf nicht gerade schöne, aber da wir nie genug bekamen, wie sich bald herausstellte, denn das Austeilen der Verpflegung wurde sehr unregelmäßig, mussten wir uns selber helfen. So marschierte ich denn eines Abends mit einem der Spanier los, um Kartoffeln zu .... klauen, Jeder mit einer Tasche unter dem Arm und ich mit sehr schlechten Gewissen (die Gefühl des anderen kann ich nicht definieren) machten wir uns an die "Arbeit".

An einem großen Kartoffelfeld, sehr außerhalb der Stadt, wurde ganz am Rand und ganz vorsichtig eine Kartoffel nach der anderen ausgebuddelt, bis unsere Taschen voll waren. Dann ging es den selben Weg wieder in die Behausung zurück. Ich hatte wie gesagt keine Lust noch einmal ins Gefängnis zu wandern, aber nun war ich wieder auf dem allerbesten Weg dazu. Na, wir wurden nicht erwischt und brachten unsere Beute, die uns einige Tage lang das Essen bessern half, gut in den Bau. Eine Heldentat hatten wir nicht gerade begangen, aber die geklaute Menge war gering und außerdem will ich mich auch gar nicht entschuldigen, denn der Hunger ist eben einmal nicht wählerisch in seinen Mitteln.

Auf eine weitere Weise suchten wir auch noch unsere Mahlzeiten zu verbessern und zwar dadurch, dass wir Äpfel klauen gingen, wobei wir aber anständiger waren, indem wir nur Fallobst nahmen, allerdings aus dem einfachen Grunde, weil das andere Obst noch nicht so reif war wie das gefallene. Wir haben oft so viele Äpfel gefressen, dass wir kaum noch gehen konnten.

Etwas Geld braucht der Mensch im Leben bei bescheidensten Verhältnissen und wir mussten ja doch mal schreiben und sonst etwas kaufen, so dachten wir also nach und Wilhelm entschloss sich bald eine Sammlung Briefmarken, die er hatte, zu verkaufen, um zu Geld zu kommen.

Und diese Absicht musste bald mit äußerster Kraft ausgeführt werden, denn es geschah etwas, was alle unsere guten Vorsätze über einen Haufen warf nichts Gesetzwidriges mehr zu unternehmen. Es kam Post an für uns und zwar von unserer Dame aus Innsbruck und in dem Brief den sie schickte ein Telegram als Antwort auf meines aus Innsbruck. In diesem Telegramm sagte Papa, dass ein Transport von Mittenwald Ende August nach Spanien abgehen sollte! Nun, wir hatten es dann ja gut gemacht, auszukneifen aus Mittenwald, uns einsperren lassen fürs nach Hause kommen und dann noch in Bregenz sitzen, während der Transport ohne uns die Heimreise nach Spanien antritt. Nun, es wurde zwischen Wilhelm und mir nicht mehr viel gesprochen, wir hatten denselben Gedanken und zwar wollten wir so schnell und so bald wie möglich nach Mittenwald zurück, um den Transport noch zu erreichen. Was hatten wir also, wieder vor uns? Einen neuen Grenzübertritt auf verbotenen Pfaden und die schöne Aussicht, noch ein Mal, diesmal viel länger, eingesperrt zu werden. Aber es half alles nichts, Vernunftgründe durften nicht mitreden und so fassten wir den Entschluss, gleich am anderen Tage die Fahrt und den anschließenden Marsch zu wagen. Allerdings gab es ja viele Schwierigkeiten, denn wir mussten uns etwas vernünftiges ausdenken, den anderen Genossen zu sagen, denn es ging nicht, ihnen überhaupt zu erzählen, dass wir in Mittenwald gewesen waren. Wir erklärten also einfach, wir wollten nach Innsbruck fahren, um uns nach einer Möglichkeit zur Rückkehr für alle umzusehen.

Dann gab es noch eine weitere Schwierigkeit und zwar hatten wir keine Ausweise, als eine Karte, die wir vom Lager aus bekommen hatten. Alle anderen Papiere waren uns abgenommen worden und lagen auf der Lagerführung. Wir mussten also versuchen, die Papiere zu erhalten und gingen daher zum Lagerführer und baten ihn, uns die Geburtsurkunden zu geben, wir bräuchten sie weil wir auf die Kommandantur wollten. Aber der Herr wollte sie auf keinen Fall herausgeben er erklärte ganz offen, das sollte jeden hindern, verbotenerweise Bregenz zu verlassen. Na, es war für uns nicht schön, die Papiere nicht zu haben, aber wir wollten doch auf keinen Fall dableiben und so beschlossen wir, dem Herrn Lagerführer zu beweisen, dass wir auch ohne unsere Papiere Bregenz verlassen würden. Die Geburtsurkunden konnten sie sich von uns aus in einen Bilderrahmen an die Wand hängen. Sie konnten sie aber auch als "Sonst was" benutzen. Wilhelm machte sich nun an Nachmittag auf, um die Markensammlung zu verkaufen, aber er konnte nicht alles loswerden, bekam trotzdem soviel zusammen, dass wir damit für zwei sie Fahrt bis Innsbruck und dann weiter bis Seefeld finanzieren konnten, wir hatten uns so unter der Hand erkundigt, ob und wann die meisten Streifen in den Zügen wären und man hatte uns geraten, nachts zu fahren, dann sei am wenigsten zu befürchten. So wollten wir es dann halten und nachdem wir noch eine Nacht in unseren Kojen verbracht hatten und uns an anderen Tag die Wampe noch einmal mit herrlichen Äpfeln vollgehauen hatten, gingen wir zum Bahnhof, um die Fahrkarten zunächst bis Innsbruck zu lösen. Abends um elf Uhr sollte unser Zug fahren und so trieben wir uns am Bregenzer Hafen herum, bis die Zeit zur Abfahrt gekommen war.

Sehr vorsichtig gingen wir nun zu werke und wir schauten eingehend nach Polizei aus, die wieder einmal unser größter Feind war und gingen oder schlichen dann den Zug entlang um uns den besten und am wenigsten besetzten Wagen auszusuchen, fanden schließlich auch einen der ganz leer war und setzten uns rein. Um gut aufpasse zu können, setzte sich jeder von uns auf einer Seite und schaute zum Fenster raus.

Pünktlich fuhr der Zug dann auch los und unser neues Abenteuer begann. Wir hatten dabei auch kein ganz reines Gewissen, denn wenn man uns schnappte, könnte es uns schlecht gehen, da wir ja ohne Erlaubnis das Lager verlassen hatten. Aber diese Gefahr musste eben in Kauf genommen werden, wenn wir den besagten Transport erreichen wollten. Im Übrigen waren wir jetzt im Zug drinnen und es gab kein zurück.

Die Fahrt ging weiter und bei jedem Bahnhof, standen wir am Fenster, um alle etwa einsteigenden Personen gut beobachten zu können, aber unser Waggon war anscheinend verpönt, denn keine Seele störte unseren Frieden, bis dann ein Mann in Uniform sich dem Wagen näherte und einstieg. Zuerst wollten wir uns verdrücken, aber wir sahen noch rechtzeitig, dass es sich um einen Eisenbahner handelte, der wohl die

Fahrkartenkontrolle machte. So war es denn auch und durch ihn erfuhren wir, warum unser Wagen so übergangen wurde. Er sollte nämlich, beim nächsten Halt abgehängt werden und wir sollten doch in den nächsten Wagen umziehen. Also blieb uns nichts weiter übrig, als unser armseliges Gepäck unter den Arm zu nehmen und umzuziehen, wie es uns der gute Mann geraten hatte.

Der andere Waggon war nun schon etwas belegter und mit den Leuten war anscheinend auch unsere Vorsicht angesteckt, bzw. ausgesteckt worden, denn wir meinten nun, wir würden dumm auffallen, wenn wir uns unterhielten und dabei bei jedem Bahnhof auseinander spritzten, um die Lage zu beschauen, also ließen wir uns seelenruhig in einem leeren Abteil nieder und harrten der Dinge die da kommen sollten. Nach sehr kurzer Zeit hatten wir unsere Angst ganz verloren und legten uns beide der Länge nach auf die Bank und schliefen so gut es eben ging. Und es ging ganz gut, denn ich wenigstens wachte erst wieder auf als man im Waggon anfing sich fürs Aussteigen in Innsbruck fertig zu machen. Es dauerte denn auch keine viertel Stunde mehr und wir liefen den Innsbrucker Bahnhof an.

Da wir für unsere Tour nur sehr wenig Verpflegung hatten mitnehmen können, mussten wir die Sache möglichst mit Geschwindigkeit machen und so gingen wir gleich zum Schalter, um die Fahrkarte bis nach Seefeld zu kaufen und uns nach dem nächsten Zug zu erkundigen. Der fuhr denn auch sehr bald, eine halbe Stunde später ab Innsbruck in Richtung Norden ab und so verließen wir gar nicht erst den Bahnhof, sondern begaben uns gleich in den Zug, der schon eingelaufen war. Nun allerdings galt es wieder etwas vorsichtiger zu sein, denn diese Strecke zur Grenze wurde, wie man uns gesagt hatte, besser bewacht, als andere nicht so grenznahe Strecken.

Obwohl im Zug Platz genug war, setzten wir uns nicht hin, stellten uns vielmehr auf die Plattform und zwar jeder auf eine andere, mit der Absicht, etwaige Streifen, die durch den Zug wandern sollten, zu sehen und uns gegenseitig Bescheid zu geben und stiften zu gehen. Aber es passierte nichts, der Zug fuhr seinem Ziel entgegen und mit Ausnahme der Bahnbeamten, ließ sich keine Uniformierte Gestalt blicken. Eine Stunde dauerte die Fahrt, dann kamen wir in Seefeld an, wo wir den Zug verließen. Lange Sperenzien wurden nicht gemacht, wir machten uns sogleich auf den Weg und liefen los, kannten die Strecke ja schon und konnten uns nicht verlaufen. Allerdings vermieden wir jede Ortschaft und machten lieber einen Bogen, selbst wenn dieser etwas lang war. Etwa, um 2 Uhr Mittag, machten wir eine längere Pause und verspeisten die kleinen Reste

unseres Marschproviants. Nun hatten wir gar nichts mehr, aber wir wollten ja auch bis zum Abendessen in Mittenwald und im Lager sein, wo wir sehr hofften etwas manierliches vorgesetzt zu bekommen. Nach dieser Pause ging es weiter, nunmehr immer am Hang des Berges, ungefähr denselben Weg lang, den wir benutzt halten, als wir nach Italien wandern wollten. Nach einiger Zeit jedoch hatte ich die Kraxelei an der Wand lang satt und wollte einen kürzeren Weg einschlagen, der aber natürlich nicht so sicher sein könnte und da Wilhelm meiner Meinung nicht war, einigten wir uns nicht auf einen gemeinsamen weg, sondern nur darauf, dass jeder seiner Wege gehen sollte. Schon zu Beginn unserer Flucht aus Bregenz war es so ausgemacht worden, dass jeder so gehen sollte, wie er es für richtig hielte und so taten wir jetzt eben jeder was ihm besser schien. Wilhelm blieb im Walde am Hang und ich ging tiefer runter, bis ins Tal, wo man sehr ordentlich gehen konnte und so legte ich denn ein ordentliches Tempo drauf und verließ mich im Übrigen auf den lieben Gott, denn wenn jemand kam, konnte er mich auf jeden Fall sehen. Allerdings hatte ich auch weiterhin nicht die Absicht, mich schnappen zu lassen, sondern wäre auf jeden Fall davongelaufen, wenn jemand was von mir gewollt hätte, außer natürlich es wäre zu gefährlich gewesen, denn mein Leben sollte noch eine Weile weitergehen. Ich hatte aber viel Glück und etwa um fünf Uhr nachmittags war ich an der Stelle angelangt, wo die große Lichtung zu überschreiten war und da ich sie nun schon kannte, überlegte ich nicht lange, sondern sauste so schnell es sprang darüber weg, verschwand auf der anderen Seite in einem Gebüsch, um abzuwarten, ob sich etwas rührte, aber alles blieb still da, fast wie ausgestorben und dann war es sehr dunkel geworden, weniger wegen der Tageszeit, als darum, weil sich eine mächtige Gewitterwolke ausgebreitet hatte und es sah grad so aus, als müsste es jeden Augenblick los gehen mit Donner, Blitz und Regen. Vielleicht war das alles ganz günstig, denn bei meinem Weitermarsch nun, sah ich weiterhin keine Seele und zu hören war auch nicht das Geringste.

Etwa eine halbe Stunde später war ich an der Stelle, an der die Grenze entlangging und nun lief ich los, einmal um schnell möglichst weit auf Deutscher Seite zu sein und dann, weil es nun anfing zu regnen.

Und ich kam gut rüber und sah bald Mittenwald im Regen vor mir liegen und war in dem Augenblick richtig verliebt in den schönen Ort.

Ohne mich weiter um den strömenden Regen zu kümmern, lief ich nunmehr die Landstrasse entlang in das Dorf hinein und durch das Dorf wieder auf die Landstrasse, die ins Lager führte. Eine viertel Stunde später stand ich vor dem Lagertor und hatte da noch das Glück, das auf der Wache einer der sogenannten Spanier war, den ich gut kannte und der mich ins Lager ließ, denn einen Ausweis hatte ich nicht, die waren wohl wie Haika (Claus Clauss). Gleich ging es in unseren Block und in unsere gewesene Stube, wo ich wie ein verlorener Sohn begrüßt und aufgenommen wurde. Woher ist mir bis heute noch nicht klar, aber man wusste in Mittenwald schon lange, dass zwei von uns dreien im Gefängnis gelandet seien und das einer weiter gekommen war, nur hatte man gedacht oder besser gehört, dass zwei Brüder beim Grenzübertritt geschnappt worden waren, worauf man annahm, Karlos und ich seien es gewesen.

Wilhelm war noch nicht angekommen und ich halte es auch gar nicht erwartet, denn schneller als ich konnte er gar nicht genug gegangen sein und wenn er sich weiterhin oben am Hang des Berges vorgearbeitet hatte und vorsichtig gewesen war, konnte er vor ein paar Stunden nicht da sein. Von allen Seiten bekam ich nun etwas zu essen und so wurde ich mal wieder richtig satt. Heika hatte auch eine Zigarette, die besonders gut tat und ich fühlte mich im Lager beinahe wieder zu Hause. Es wäre somit alles in Ordnung gewesen, wenn man mir nicht schlechte Nachrichten gebracht hätte und zwar wurde mir gesagt, die schon genannten spanischen Diplomaten seien wieder da gewesen und sogleich bei der Ankunft hätten sie nach den Brüdern Menzell verlangt. Sie hatten uns mitteilen wollen, dass wir beide amerikanischerseits von der Liste der Rückkehrer gestrichen worden waren und nicht nach Spanien dürften, weil unser Vater nach Deutschland gebracht werden würde oder schon gebracht worden sei.

Zwei Tage nachdem ich das gehört hatte, kamen die Diplomaten nochmals und bestätigten mir alles selbst. Außerdem hatte die Militärpolizei im Lager nach uns gefragt und in Dachau, wie ich durch unsere Familie hörte, die deutsche Polizei. Warum dies alles, wurde mir nicht ganz klar, denn so gefährlich konnten Karlos und ich ja nicht sein.

Na, einen kleinen Strich durch die Rechnung hatten wir ihnen schon gemacht, denn Karlos war inzwischen wohlbehalten zu Hause angelangt und ich hatte auch nicht unbedingt die Absicht, lieb und brav zu sein und der Afrikaner wegen zu versauern, aber vorerst musste ich abwarten und zufrieden sein, dass ich im Lager wieder so gut untergekommen war, eine Unterkunft hatte und Verpflegung. Mir war nunmehr sehr klar, dass ich mit einem etwaigen Transport nicht mitkommen würde, der einzige Weg nach Hause führte also wiederum über die Alpen, aber natürlich zu Fuß und ehrlich gesagt hatte ich von solchen Spaziergängen, die mit Gefängnis enden, mehr als reichlich und ich hatte mir geschworen, nicht wieder so etwas verbotenes zu tun, aber dieser Schwur war ja von sehr kurzer Dauer gewesen, denn schon ab Bregenz, war alles über den Haufen geworfen.

Es war auch nicht gerade sehr ermunternd zu hören, dass ein anderer, der versucht hatte, denselben Weg wie wir zu gehen auch geschnappt worden war und drei Monate sitzen sollte. Er war aber nicht ganz zahm und ging auf dem Wege zum Gefängnis stiften, um sich nicht nochmals erwischen zu lassen und war etwa, eine Woche nach seinem Abmarsch reumütig ins Lager zurückgekehrt. Die Zeit verfloss also und wenn auch nicht gerade ich große Pläne schmiedete, so betätigten sich doch andere desto eifriger und suchten verschiedenste Wege um nach Hause zu kommen. Einer der Eifrigen war Heika, der das erste Mal bei unserem Marsch nicht hatte mittun wollen and der jetzt den großen Drang verspürte diese Gegend gegen eine andere umzutauschen. Er bereitete verschiedenes vor und als er einige Wege im Auge hatte, weihte er mich und Wilhelm in seine Pläne ein, denn alleine wollte er nicht losziehen, er wollte, dass einer von uns mit ihn gehen sollte. Sein Plan war folgender: Es waren in der Zeit in der wir vom UNRRA-Lager abwesend gewesen waren einige neue richtige Spanier erschienen, aber nicht sehr saubere Burschen, denn alleine ihr Benehmen war toll und ihr sonstiges Auftreten nicht in unseren oder der meisten der anwesenden Spanier Sinn, kurz es waren Rote, die bei Ende des Bürgerkrieges nach Frankreich geflüchtet waren, weil sie kein reines Gewissen hatten und nie gewagt hatten nach Spanien zurückzukehren, auch jetzt diese Absicht nicht hatten, sondern nur sich von der UNRRA einige Zeit durchfüttern lassen wollten, bin sie etwas besseres fanden. Nun gut, unter diesen Leuten war ein ganz junger Bursche, etwa 18-20 Jahre alt, der nicht sehr rot sein könnte, da er während des Bürgerkrieges ein Kind gewesen war, der aber durch das Zusammensein mit den anderen, völlig verdorben worden war. Der junge Mann hatte nun wohl das Sauleben satt und hatte allen Ernstes die Absicht nach Spanien zu seinen Eltern, die in Barcelona lebten, zurückzukehren. In Frankreich wo er gewesen war, hatte er vom spanischen Konsulat einen Pass erhalten und ein Einreisevisum nach Italien, war auch schon in Italien gewesen, aber dann von dort mit zweien der Roten nochmals nach Deutschland gegangen. Jetzt war er also in Mittenwald gelandet, hatte mit Heika gesprochen und die Absicht geäußert, nach Spanien zu gehen, sobald jemand mit ihm gehen wurde. Die beiden Männer mit denen er bisher gegangen war, wollten nicht mit nach Spanien, hatten aber die Absicht, Ausweispapiere zu verkaufen. Diese Papiere nun waren der Grund, weswegen Heika mit dem jungen Kerl gesprochen hatte. Es wurde also verhandelt und festgelegt, dass zwei rotspanische Ausweise gegen Kleidung und sonstige Dinge eingetauscht werden sollten. Nun hatten wir nicht viel Sachen zu entbehren und mit dem was wir anbieten konnten gaben sich die zwei Roten nicht zufrieden, der Plan schien zu scheitern. Der junge Mann, Miguel hieß er, hatte aber noch einen anderen Gedanken, zwar nicht sehr sauber, aber für unseren Zweck gerade gut. Er sagte seinen zwei Kameraden, er wolle nach München zum rotspanischen Komitee fahren, um dort die Papiere abstempeln und verlängern zu lassen und er wollte die Papiere der anderen gleich mitnehmen. Die zwei gaben ihr Einverständnis und so bauten wir darauf unseren Plan auf.

Es gab es eine große Frage, es konnten nur außer dem Miguel, zwei Mann mit, der eine war Heika und der andere sollte entweder ich oder Wilhelm sein. Wilhelm wurde zuerst aufgefordert, da er Heikas Vetter ist und er sagte, er könne sich nicht entschließen schon wieder loszuziehen und so blieb nur ich über. Meine ganzen Vorsätze nicht Verbotenes zu tun, warf ich sofort über den Haufen und sagte zu. So ausgemacht, machten Heika und ich uns daran, alles weitere zu besprechen. Der junge Mann wollte am 23. September angeblich am Abend nach München fahren, aber es wurde so geregelt, das er in Mittenwald in einem Gasthaus blieb. Am 24. September in aller Frühe wollten dann Heika und ich mit dem geringen Gepäck ihn abholen und los über die Grenze ziehen. Es wurde alles geregelt, Proviant besorgt, etwas italienisches Geld und unsere richtigen Papiere nähten wir in unsere Jacken ein, denn ganz wegwerfen wollten wir sie nicht, da wir, wenn wir nach Genua gelangen sollten, sie doch brauchten. Die falschen Papiere hatte der junge Mann und wir erhielten sie von ihn am Abend an dem er ins Gasthaus übersiedelte. Die beiden Kollegen von Miguel wurden also richtig betrogen, aber weder damals noch heute wird sich mein Gewissen beschwert fühlen. Sie verloren nichts sehr Wichtiges, da sie noch andere Ausweise hatten und uns konnte geholfen werden, was letzen Endes die Hauptsache war, wenigstens für uns. Helfen konnten uns diese Papiere allerdings erst in Italien und nur recht, zusammen mit dem Pass von Miguel, bis Italien waren wir also den gleichen Gefahren auegesetzt wie auf der ersten Tour. Sicher war unser ganzer Plan nicht übermäßig vernünftig, aber wir wollten eben nach Hause, und deshalb griffen wir nach der geringsten Chance. Zuviel Vernunft kann im Übrigen auch etwas schädlich sein. Wären wir ganz "vernünftig" gewesen, säßen wir sicherlich noch Heute irgendwo in Deutschland und würden versauern. Traurig aber wahr, im eigenen Vaterland!

Mein 20. Geburtstag war Inzwischen vergangen, nicht gerade sehr schön und der Tag unseres Abmarsches nahte. Am 23.9., nachdem wir Miguel in sein Gasthaus gebracht hatten, wurde alles klargelegt und dann legten wir uns nochmals zu einem letzten kurzen Schlaf in Mittenwald in der sogenannten Pionierkaserne, hin.

Am 24. um fünf Uhr etwa standen wir auf, frühstückten noch etwas und dann nahmen wir die zwei Handtaschen die unser Gepäck bildeten und verließen das Lager mit einem Urlaubsschein nach Düsseldorf, wo wir angeblich das spanische Konsulat aufsuchen wollten. Die Urlaubsscheine wurden vernichtet als wir aus dem Lager waren und alles deutsche Geld flog in den Straßengraben, nichts was auf Deutschland hinweisen konnte, sollten wir bei uns tragen. Dann zogen wir durch die Dunkelheit zum Berg und vor das Gasthaus, in welchem unser angeblicher Führer untergekommen war. Er war schon auf den Beinen und sah zum Fenster heraus, als wir unten leise riefen. Wir gingen noch ins Haus und als er fertig war ging es los. Für die erste Strecke, also für den ersten Grenzübertritt nach Österreich sollte ich den Führer spielen, da ich den Weg ja gut kannte von der zweimaligen Tour und so ging ich voran, dann Heika und dann der Spanier. Wir kamen, ohne jemandem zu begegnen aus dem Dorf heraus und verschwanden schnell im Wald. Langsam und sehr vorsichtig arbeiteten wir uns der Grenze zu und nah der Grenzlinie angekommen legten wir uns erst mal ins Gras, um abzuwarten, dass es heller werden sollte, da es sinnlos gewesen wäre, bei der Dunkelheit loszuziehen, da man nichts recht erkennen konnte und die Gegend etwas schwer gangbar war, vor allem ein kleiner Wildbach floss, der in einer sehr tiefen Schlucht sein Bett hatte und in dem wir nicht unbedingt baden wollten.

Gegen halb sieben Uhr begann es zu dämmern und so entschlossen wir uns loszuziehen. Da ich den Weg ja gut kannte, war ein Verirren nicht möglich und so legten wir einen guten Schritt auf, waren aber doch immer sehr vorsichtig und sahen nach allen Seiten scharf aus, um möglichst nicht überrascht zu werden. Auf der deutschen Seite, waren keine Polizeiwachen zu erwarten, den wir hatten uns vor dem Abmarsch aus Mittenwald erkundigt und erfahren, dass die Streifen, erst nach Hellwerden ihre Tätigkeit aufnahmen, aber auf der anderen Seite konnte es jemanden geben und so verdoppelten wir unsere Vorsicht, als wir ein. Stück über die Grenze gekommen waren. Es dürfte ja wohl immer so sein, dass man über eine Grenze selbst leicht kommt, aber nachher im Grenzgebiet muss man gehörig Acht geben und wir hatten wirklich keine Lust und sogleich krallen zu lassen, vor allen ich nicht, den Weg den wir einschlugen will ich nicht noch einmal erklären, denn mit sehr geringen Abweichungen war es derselbe, den wir mit Karlos und Wilhelm bei der ersten Tour gegangen waren. Unsere Absicht war, keine großen Pausen irgendwo zu machen, wir wollten bis Mittag in Innsbruck sein, dann gleich den Zug nach Süden zu nehmen und nah der österreichisch-italienischen Grenze auszusteigen, um von dort aus über die Alpen zu laufen. Und wir hatten Glück, denn bis Innsbruck kamen wir gut, in Seefeld, wo der Zug nach Innsbruck genommen werden musste, hatten wir eine längere Pause während wir auf den Zug warten mussten, die wir im Walde liegend und faulenzend verbrachten, da wir uns in der Ortschaft so wenig wie nur möglich blicken lassen wollten. Als die Abfahrtzeit des Zuges nahte, ging ich zuerst alleine und ohne jegliches Gepäck zum Bahnhof, um die Fahrkarten zu besorgen, fünf Minuten vor Abfahrt kamen dann Heika und Miguel mit unseren Sachen und dann ging es gleich in den Zug, der sich schnell in Bewegung setzte. Bis Innsbruck geschah also nichts und dort verließen wir gar nicht erst den Bahnhof, sondern besorgten gleich die Fahrkarten bis Gries a. Brenner und verbrachten eine halbe Stunde bis Abfahrt des Zuges vor dem Bahnhof auf einer Baustelle. Ab Innsbruck nun, wurde die Sache schwieriger, da keiner von uns wusste, wie die Strecke nach Süden kontrolliert war. Aber da man uns das erste Mal Angst gemacht hatte vor der Bahnfahrt und sich danach herausstellte, dass es eine Kontrolle nicht gegeben hatte, wollten wir es diesmal wagen und so stiegen wir in den Zug und hofften auf unser Glück.

Wir kamen unbehelligt bis vier oder fünf Stationen vor der Grenze, aber denn öffnete sich die Tür des Wagens und es erschienen zwei österreichische Zollbeamte, die nach Papieren und nach dem Reiseziel fragten. Ein Auskneifen aus dem fahrenden Zug gab es nicht und so warteten wir was nun geschehen sollte. Wir sahen, dass einige Leute keine Papiere vorzeigen brauchten und fragten uns warum, merkten aber den Grund sogleich, denn als uns der Beamte endlich die Ehre gab, fragte er nach dem Ziel der Reise und zwar zuerst Haika und als der Gries angab, war der Polizist befriedigt und wollte keine Papiere sehen. Uns beiden anderen erging es ebenso und wir merkten nun, dass die Leute nur Papiere von den Reisenden hat sehen wollen, die bis zum Brenner fuhren. So hatten wir mal wieder viel Glück gehabt, denn ich glaube kaum, das unsere rotspanischen, uns spanisch und französisch verfassten Ausweise, den Österreichern genügt, hätten. Die Beamten verschwanden und sehr kurz darauf, hielt der Zug in Gries. Wir beeilten uns aus dem Wagen zu kommen und verschwanden so schnell wie nur möglich vom Bahnhof, da eine Menge Polizei und Franzosen sich dort herumbewegten. Ab Gries sollte der gute Miguel die Führung übernehmen aber wir merkten sehr bald, dass es mit seiner Ortskenntnis nicht sehr weit her war, denn er drehte sich nach allen Seiten und konnte den rechten Weg nicht finden. Wir gingen nun erst mal auf das Dorf zu, durch das wir auf alle Fälle mussten, denn wir mussten uns in Richtung Italien gesehen rechts halten, links gab es nur steile, hohe Berge, die keinen Durchgang boten. Als wir nun ziemlich durch den Ort durch waren, kam plötzlich ein Radfahrer hinter uns her, der an unserer Seite halt machte und uns schnell zuflüsterte wir sollten uns verstecken, da auf derselben Strasse einige Zollbeamten kämen. Nach diesen schnell hervorgebrachten Worten fuhr der Radfahrer weiter und wenn wir auch nicht recht wussten, ob wir dem Guten trauen durften, so taten wir doch wie er sagte und verschwanden hinter einem Bauernhaus am Rande des Ortes und schielten von dort auf die Strasse, aber es verging eine ganze Weile und niemand ließ sich blicken. Der Radfahrer brauchte uns ja nun aber nicht belogen zu haben, denn wozu sollte er das getan haben und die Polizisten konnten ebenso gut abgebogen sein, so setzten wir uns erst mal zur Beratung hin und zwar suchten wir uns als Beratungsstelle eine große Mistgrube aus, die aber unbenutzt war und vollkommen trocken und leer dalag. Dort hinein sprangen wir und setzten uns nieder. Wir hatten zuerst die Absicht gehabt ohne Pause gleich in die Berge hinein zu wandern, aber da wir nun annahmen es könnte Polizei in der Nähe sein, ließen wir den Plan fallen, auch noch weil es so dunkel war, dass wir nichts hätten sehen können und uns hätten das Genick brechen können oder womöglich Grenzwachen in die Hände gelaufen wären. So beschlossen wir also bis gegen fünf Uhr in der Früh zu warten und zu versuchen erst mal etwas zu schlafen. Kalt war es nicht und dann hatten wir uns gut eingekleidet und so aßen wir noch eine Kleinigkeit und hauten uns dann aufs Ohr, mit der guten Absicht zu schlafen. Aber oh Wehe! Unser schöner Schlaf wurde bald gestört, denn die Grube in die wir uns gelegt hatten war nicht unbewohnt und wir hatten die einstigen Besitzer aufgeschreckt und nun machten sie sich Gehässigerweise bemerkbar. Zuerst bekam ich sie zu fühlen, denn ich hatte als Kopfunterlage unsere Tasche mit dem Proviant und unsere Mitbewohner waren von einer Sorte, die sich der Anziehungskraft des Essbaren nicht entziehen kann. Kurz, ich war eben eingedöst, als mich ein Krabbeln auf dem Kopf und ein Ziehen an den Haaren weckte und als ich mich etwas bewegte huschte ein Vieh über mich weg und verschwand, eine herrliche Ratte war es gewesen. Diese erste war aber leider nicht die letzte, denn in der Folge hatten wir keine Ruhe mehr, überall liefen die ekligen Biester umher, kletterten über unsere Körper und liefen frech und dreist unsere Arme entlang und über unsere Gesichter. Wir schleuderten sie zwar in die Gegend, aber es nützte nicht viel, denn wenn wir uns nur eine Weile ruhig verhielten, ging es wieder los und so mussten wir uns wohl oder übel bequemen, wach zu bleiben und die Viecher zu vertreiben. Raus aus dem Loch wollten wir nicht, da es eine sicherere Unterkunft wohl nicht gab und so rauchten wir eine Zigarette nach der anderen und unterhielten uns ganz leise, während wir einen hartnäckigen Kampf gegen die noch viel hartnäckigeren Ratten führten. Wir hatten uns alle etwas über den Kopf gestülpt und uns Handschuhe angezogen, denn die Berührung mit den Ratten war widerlich und so erwarteten wir also die Zeit unseres Abmarsches. Es wir noch lange nicht hell, als wir uns entschlossen loszumarschieren, vor allem, um endlich die elende Plage los zu sein. Dann ging es los und zwar zuerst den gleichen Weg lang, den wir bei dem ersten Unternehmen benutzt hatten, aber während wir das erste mal sehr bald in Richtung der Grenze abgebogen waren, gingen wir diesmal weiter nach Westen zu, etwa zwei Stunden lang, bis zu einem Ort, dessen Name ich vergessen habe und der den Abschluss des kleinen Waldweges bildete, den wir benutzt hatten.

Als wir uns dem Ort näherten, war es schon hell geworden und so wollten wir schnell durch, um nicht noch an dieser letzten Stätte der Zivilisation in Österreich Gefahr zu laufen, festgenommen zu werden. Wir fragten also unseren angeblichen Führer wie er sich den weiteren Weg dächte, aber der Gute war nicht sicher wie wir gehen mussten und so mussten wir uns wohl oder Übel entschließen das Oberkommando zu übernehmen und uns einen Weg auszudenken. Wir kamen erst mal ungeschoren durch den Ort, es war ja auch noch so früh und so begegneten wir niemandem auf unserem Wege, nur in einigen der Bauernhäuser hörte man, dass es sich schon regte. Sehr außerhalb des Dorfes lag noch eine Sägemühle und zu der wandten wir uns. Vor der Tür des Hauses stand ein alter Bauer in Hemdsärmeln, der sich offensichtlich den schönen Morgen beschaute, und der erst Notiz von uns nahm, als Heika ihn anredete. Dann aber wurde er ganz lebendig und sogar freundlich, was uns sehr selten begegnet war auf unseren Wanderungen. Natürlich wusste er gleich welches unser Ziel war und er erklärte uns in zwei Tagen wollte er auch nach Italien, um seine in Südtirol wohnende Familie zu besuchen. Heika benutzte nun gleich die Gelegenheit den Bauern nach der Lage der Dinge an der Grenze auszufragen und welchen Weg er uns raten könne. Der Mann erklärte uns die Polizei würde uns wohl nicht allzu sehr stören, da einmal nicht viel Betrieb an dieser Stelle sei und die Leute heute außerdem Versammlung hätten und dann nannte er uns einen Weg, den zu gehen er uns riet. Wir unterhielten uns noch ein wenig mit dem netten Menschen, rauchten eine Zigarette zusammen und dann brachen wir schnell auf, um möglichst früh weit zu kommen. Erst mal gab es dichten Wald und in dessen Schutz gingen wir eifrig drauflos, mussten schon klettern, denn das Ganze ging ziemlich steil in die Höhe. Etwa um 10 Uhr morgens und als der Wald lichter wurde, machten wir erst mal eine kleine Pause und nahmen ein schönes Frühstück zu uns, bestehend aus mittenwalder Weißbrot mit Butter und Käse und aus Schokolade. Nachtisch war eine Zigarette. Dann ging es weiter. Der Tag konnte nicht schöner sein und es wäre ein Spaß gewesen, wenn es sich um einen netten Spaziergang gehandelt hätte, so aber musste man zuviel nach Menschen ausschauen und hatte nicht soviel Zeit für die Schönheiten der Alpengegend. Im Übrigen wurde die Sache bald sicherer, denn es ging sehr bergauf und wir mussten uns ganz nett anstrengen. Einen Nachteil hatte der herrliche Tag auch darin, dass die Sonne ziemlich warm schien und wir gehörig ins Schwitzen kamen, denn wir hatten uns warm angezogen und konnten nicht gut unsere Kleider wegwerfen, da wir sie in der Nacht noch richtig gebrauchen, würden. Allerdings hatten wir nicht die Absicht, diesmal die Nacht wieder in den Bergen zu verbringen, sondern wollten an helllichten Tage über die Grenze und zum Abend schon um einiges in Italien drinnen sein. Vorläufig waren wir aber noch immer in Österreich und hatten bis zur Grenze noch ein tüchtiges Stück Weg. Der Grenzverlauf war gut zu erkennen, da wir wussten, dass die Grenze auf der Kimm das Gebirges entlangging und die Berge genau vor uns lagen. Es handelte sich also darum, erst mal zu steigen, denn auf der anderen Seite, würde es nur .abwärts gehen und dann schon nach Italien hinein. Einmal wurden wir noch sehr enttäuscht, denn wir hatten sehr schön Höhe gewonnen, als sich vor uns nochmals ein Tal auftat, das nicht auf der Höhe zu umgehen war, so dass wir uns gezwungen sahen, noch einmal die schöne Höhe zu verlieren und wiederum tüchtig zu steigen. Dann aber gab es keine solchen Tücken mehr und wir konnten in einem Fort auf den Gipfel zustreben. Es war wie gesagt helllichter, sonniger Tag und wir waren auf größte Entfernung zu sehen, aber es ließ sich niemand in Reichweite blicken, nur ein oder zweimal sahen wir einen Menschen, aber so weit, dass er uns nichts anhaben konnte, selbst wenn er noch so sehr gerannt wäre. Es ging gegen Mittag zu, als wir meinten die Grenze sei nicht mehr fern, aber man täuscht sich in der Entfernung leicht und so dauerte es noch lange, ehe wir die Höhe bezwungen hatten Vor allen dauerte es auch lange, weil wir naturgemäß immer müder wurden, und die Pausen die wir einlegten oder einlegen mussten wurden auch immer häufiger und die letzte Strecke, ging es sogar soweit, dass wir uns richtiggehend schleppten und alle hundert, schließlich alle fünfzig und fünfundzwanzig Meter eine Pause einlegen mussten, die darin bestanden, dass wir uns einfach fallen ließen, um nachher noch müder wieder aufzustehen. Zu Beginn der Wanderung gingen wir alle drei brav zusammen, aber nachher ging Heika voran, ich folgte dicht ihm nach und der gute Miguel, der am meisten schnaufte und stöhnte, folgte erst in hundert Meter Abstand hinterher und sicher folgte er auch nur weil er nicht allein bleiben wollte. Es war gegen ein Uhr, als nur noch hundert, fünfzig, zehn Meter fehlten, bis wir die Höhe erreicht hatten und dann endlich sahen wir vor uns eine niedrige weiße Steinmauer, die sicher die Grenze markieren sollte. Dort konnten nun natürlich Wachen sein, aber daran durften wir und konnten wir jetzt nicht denken und so mussten wir es wagen, bis an die Mauer und dann schnell drüber zu gehen, mussten auch gewärtig sein, drüben eine Überraschung zu erleben. Wir waren aber diese wenigen Meter von der eigentlichen Grenze entfernt, so ermüdet, dass wir an nichts anderes dachten, als nur hinüber und dann ausruhen. So gingen wir also so schnell wie möglich bis an den Wall, der uns wie wir merkten nicht einmal bis an die Brust reichte und hatten es nun nicht einmal nötig drüberzuklettern, den es war eine schöne Lücke da, die uns brav durchließ und nun waren wir, wenn auch mit drei oder vier Meter schon in Italien. Rasch sahen wir uns nach allen Seiten um und horchten, aber nichts war zu sehen und zu hören und dann suchten wir nicht einmal mehr nach einem Versteck sondern hauten uns mitten auf die Höhe in die pralle Sonne hin und dort blieben wir erst mal liegen ohne uns zu bewegen und ohne etwas zu sagen. Nachdem wir uns etwas verschnauft hatten, wurde noch eine Zigarretee geraucht, aber da wir nur noch drei oder vier hatten, musste eine Zigarette in drei Abschnitte eingeteilt werden, was mit einem Bleistift geschah und jeder durfte bis zu einer Marke rauchen. Dann wurden wir so sachte vernünftiger und besahen uns die Gegend. Dicht neben unserer Lagerstelle, war ein kleiner Bau aus Beton, den wir zuerst für eine Hütte gehalten hatten, aber aus der Nähe erkannten wir, dass es ein Bunker war, erbaut in den Zeiten des Duce und neben dem Bunker lag ein umgeworfenes Schild, auf dem auf deutsch, italienisch und französisch geschrieben stand, das es Ausflüglern verboten sei, hier zu fotografieren. Wir waren aber weder Bergsteiger noch hatten wir einen Fotoapparat und so interessierte uns diese Warnungstafel weiter nicht besonders. Nun wurde noch eine Kleinigkeit gegessen und dann sollte der Weitermarsch beginnen, diesmal ging es aber nun nur bergab. Aus der Gefahr geschnappt zu werden waren wir noch lange nicht heraus, denn in dem Grenzgebiet, hätten uns Ausreden irgendwelcher Art nichts genützt, also mussten wir so schnell wie möglich in bewohnte Gegend, dann glaubten wir auf Grund unserer Papiere, vor allem auf Grund des Passes von Miguel unbehelligt zu bleiben. Bis nach Gossensass wollten wir laufen, also bis zu dem Ort, wo ich das erste Mal bei der Flucht nach Spanien gefangen worden war mit Wilhelm zusammen und ab dort wollten wir die Eisenbahn benutzen, erst mal bis Bozen, wo wir schauen mussten zu mehr italienischem Geld zu kommen, denn mit den wenigen Liren die wir hatten, konnten wir bei weitem nicht die Reise bis nach Genua finanzieren. Also nun ging es weiter. Wir hatten uns auf den Bergabmarsch gefreut und dachten er sei viel besser als der Anstieg, aber dem war nicht so, denn es ging so steil bergab, dass es recht gefährlich wurde und irgendwelche Wege waren vorerst nicht vorhanden, so dass wir uns unsere Route selber suchen mussten. Einige Umwege mussten gemacht werden und unsere ?Müdigkeit nahm nicht ab, aber wir konnten nicht Pause machen und so nahmen wir denn die Sache von der besten Seite und hasteten weiter, immer dem Tal zu, in den die Eisenbahn auf uns warten würde, die uns dann rascher und bequemer nach Genua bringen sollte. Es dauerte nicht lange, da sahen wir tief unter uns die erste kleine Ortschaft liegen und dabei ein silbernes Band, das nur die Eisenbahnstrecke sein konnte. Bald war auch die große Wildnis Überstanden, wir kamen in etwas bewachsene Gegend und hatten unter unseren Füssen einen kleinen Pfad, der dem Tale zustrebte. Wir kamen ziemlich schnell vorwärts, denn langsam konnte man überhaupt nicht gehen, wenn man sich durch ewiges abbremsen nicht tolle Blasen an den Füssen holen wollte, manchmal sausten wir richtiggehend hinunter und mussten uns an Gesträuch festklammern um zum Halten zu kommen. Wir trafen auf der Höhe nur einen Menschen, eine alte Hirtin, mit einer Ziegenherde, die aber auf unsere Fragen, über Polizei und Marschdauer bis zum nächsten Ort, nur dummes Zeug redete und augenscheinlich nicht verstand, obwohl sie Südtirolerin war und die Dummheiten auf deutsch sagte. Wir mussten wohl oder übel annehmen, dass die arme Frau als Kind auf den Kopf gefallen war und so hielten wir uns nicht lange auf, sondern suchten alleine unseren Weg. Wir kamen immer weiter runter und waren bald im Wald drinnen, wo wir uns die schlechtesten Wege nunmehr aussuchten und hofften, dort keinem Menschen zu begegnen. Aber wir hatten uns getäuscht, denn plötzlich hörten wir das Geräusch von gehenden oder besser steigenden Füssen, was auch bei großer Entfernung kein Wunder war, denn es krachte und knackte dauernd und außerdem rollten einem beim Gehen viele Steine unter den Füssen weg. Wir schauten eifrig aus und sahen eine Gruppe von fünf Menschen den Berg hinaufsteigen, hatten auch noch reichlich Zeit gehabt uns zu verstecken, ließen es aber sein, da uns schien, es sei überflüssig, denn es waren lauter Zivilisten, mit Rucksäcken auf dem Buckel, also sicher auch Grenzgänger., Wir ließen sie also herankommen und sprachen dann mit ihnen. Es waren vier Deutsche ehemalige Soldaten und ein Italiener, der als Bergführer fungierte und die Gruppe hatte die Absicht nach Deutschland zu wandern. Wir fragten uns gegenseitig aus, gaben uns gute Ratschläge und setzten dann die einen nach oben, die anderen nach unten den Weg fort. Nunmehr hatten wir bloß noch eine Stunde weg bis ins Tal und nächste Dorf und so suchten wir noch einen Bach, im dem wir uns waschen und erfrischen konnten, denn wir wollten nicht wie müde Wanderer aussehen, sondern wie ganz harmlose Leute, die nie daran gedacht haben, schwarz über eine Grenze zu gehen. Es war auch gar nicht schwer einen Bach ausfindig zu machen und so machten wir an einem rauschenden Wasser bald halt und zogen uns aus um unseren Dreck wenigstens einigermaßen abzumachen. Es ging dabei recht lustig zu und zum Abschluss der Feierlichkeit rasierten wir uns noch und kämmten unsere strubbeligen Haare, so dass wir nicht mehr wie die Zigeuner aussahen. Um ganz fein auszusehen, hatten wir sogar einen Schlips umgebunden, so dass wir beinahe piekfein uns nennen konnten. Als unsere Toilette beendet war, ging es weiter, nunmehr aber nicht schnell, sondern in aller Gemütsruhe, da wir nicht noch einmal ins Schwitzen kommen wollten. Eine Stunde später standen wir vor den ersten Bauernhäusern und erkundigten uns in einem derselben nach dem Bahnhofe aber dieser Ort hatte keinen und man sagte uns wir müssten nach Gossensass ziehen, also dahin wo wir eigentlich wollten, der Ort sei nur eine viertel Stunde entfernt und wir konnten ihn, als man uns die Richtung wies auch liegen sehen, ganz nahe.

Irgendwelche Polizeiorgane sahen wir nicht, und so beschlossen wir, auf der Landstrasse das Stück zu laufen, was, wie sich bald herausstellte nicht sehr klug war. Wir liefen also los und hatten nun keinen Wald in unmittelbarer Nahe in den wir uns verstecken konnten, mussten also uns auf das Glück restlos verlassen. Wir kamen ungehindert bis fast zum Eingang des Ortes aber beim ersten Haus sahen wir plötzlich drei Carabinieri stehen, die am Straßenrand Wache hielten und gerade ein Auto angehalten hatten. Es gab nun kein Verstecken mehr und wir mussten darauf gefasst sein, bei der Kontrolle, die wir mit Sicherheit erwarteten, noch gefasst zu werden, falls die Carabinieri nicht mit unseren Papieren zufrieden sein sollten. Wir gingen also mit möglichst harmlosen Gesichtern weiter und wollten gerade an den Leuten vorbei, als uns einer anrief und die Ausweise zu sehen verlangte. Der Augenblick, den wir gefürchtet hatten, war nun also gekommen und wir zogen alle unsere rotspanischen Ausweise, Miguel außerdem seinen Pass. Als erster hielt Miguel seine Papiere hin und der Soldat besah sie sich genau, stellte einige Fragen und schaute dann unsere an. Anscheinend fand er nichts an den Wischen auszusetzen aber er fragte warum Heika und ich keine Pässe hätten, worauf wir erklärten, sie seien in Genua auf dem spanischen Konsulat zur Verlängerung geblieben. Nun beteiligten sich an unserem Gespräch auch die beiden anderen, die inzwischen mit dem Wagen zu Rande gekommen waren und ich musste zu MEINEM SCHRECKEN sehen, dass einer von ihnen mitgewirkt hatte, als beim ersten Grenzübertritt, Wilhelm und ich gefangen worden waren. Ein Irrtum ist nicht möglich, denn es war seit der Zeit nicht lange her und ich erinnerte das Gesicht zu genau. Aber ein Glück war, dass der andere mich nicht erkannte und nur mehr oder minder unbeteiligt dabeistand. Nach viel Gerede, die Verständigung klappte sehr gut und ich wunderte mich, wie schön ich mich auf italienisch verständigen konnte, hatten wir die Kerle soweit gekriegt, dass sie uns ziehen lassen wollten. Ich glaube nicht, dass sie von der Güte unserer Ausweise sehr überzeugt waren, aber anscheinend hatten sie keine Lust mit uns zur Wache in den Ort zu gehen, um die Sache genauer zu überprüfen, denn im Schatten eines Baumes in dem sie standen fühlten sie sich augenscheinlich sehr wohl. Um zu beweisen, dass, wir es gar nicht eilig hatten, blieben wir noch eine Weile bei ihnen stehen und unterhielten uns über alles mögliche, obwohl wir lieber längst über alle Berge gewesen wären. Dann gingen wir los, immer noch in der Angst die Leute könnten uns zurückrufen und unsere Schritte wurden immer rascher bis wir im Dorf verschwunden waren. Dann atmeten wir auf und glaubten nichts mehr von denen befürchten zu müssen.

Unser erster Weg wer nun zum Bahnhof, wo wir uns nach dem Preise der Fahrkarten bis nach Bozen erkundigten. Wir stellten zu unserer Befriedigung fest, dass unser Geld reichte und so besorgten wir die Fahrkarten sogleich und gingen dann in den Ort, Vorerst einmal hatten wir einen mächtigen Durst und so gingen wir in ein kleines Lokal, wo wir mit dem Rest des Geldes ein Getränk bestellen wollten. Ein Bier wurde gebracht und dann noch eine Limonade und dann sahen wir dass ein Herr sich Schlagsahne bestellte und da wir seit Ewigkeiten bald keine mehr gegessen hatten, konnten wir der Versuchung nicht wiederstehen und bestellten uns auch welche und nachdem wir die gegessen hatten, wollten wir bezahlen, aber als die Rechnung kam sahen wir zu unserem Schrecken, dass wir nicht genug Geld mehr hatten, es fehlten uns etwa, hundert Lire, eigentlich eine kleine Summe, aber wie sollten wir die nun beschaffen? Erst mal taten wir sehr ruhig, aber innerlich überlegten wir sehr angestrengt und schließlich sahen wir keinen anderen Ausweg, als etwas zu verkaufen.

Eigentlich wollten wir damit erst in Bozen anfangen, wo wir uns sowieso Geld besorgen mussten, aber hier war es nicht sehr angebracht, zu zeigen, dass wir keinen Pfennig mehr hatten. Ein Entschluss musste aber gefasst werden und so wurde folgendes gemacht: Die Wirtin wurde in unsere Sorgen eingeweiht und wir boten ihr für den Rest der Schulden die wir hatten eine große Dose Fisch an und die Frau war so freundlich nicht nein zu sagen, sie gab sich zufrieden und wir verließen schleunigst das Lokal, um zum Bahnhof zu wandern.

Eine halbe Stunde später sollte unser Zug fahren und so konnten wir es uns leisten so langsam zum Bahnhof zu wandern. Dort angekommen war alles ausgebrannt, kein Mensch wartete auf den Zug, was eines Teils angenehm war, uns aber anderen Teils nicht sehr behagte, denn so lagen wir, wenn Polizei kam, allzu schön auf dem Präsentierteller.

Wir verschwanden im Warteraum und erschienen erst wieder auf der Bildfläche, eine Minute vor der Zeit zu der der Zug einlaufen sollte. Er war zwar nicht ganz pünktlich aber es ging und niemand hatte uns gestört, erst in allerletzten Minute erschienen noch einige Zivilisten die auch den Zug nehmen wollten. Der Zug kam denn, wir schnell hinein und schnell ging die Fahrt los.

Wie wir gleich sahen, hatten wir uns eigentlich in ein gefährliches Nest gesetzt, denn in unserem Abteil, war ein Carabinieri, der wohl von der Grenze zurückfuhr, aber er kümmerte sich gar nicht um uns, sicherlich weil er keinen Dienst hatte und sich so für Grenzgänger oder sonstige Leute nicht interessierte. Vielleicht sahen wir auch sehr harmlos aus! Wir saßen jedenfalls da und redeten kein Wort miteinander, denn als Ausländer wollten wir lieber vorerst nicht auffallen, nur dann eben, wenn wir nach Papieren gefragt worden. Wir waren noch lange nicht in Sicherheit, dann gerade auf der Strecke von der Grenze bis nach Bozen, sollten häufig Kontrollen sein und so warteten wir von einem Augenblick auf den anderen, dass eine Streife käme.

Bald hielt der Zug wieder an einer Station und unser Begleiter stieg aus. Als wir uns gerade freuen wollten so alleine zu bleiben, ging die Tür auf und ein ganzer Schwarm uniformierter machte sich in unserem Wagen breit. Zuerst natürlich bekamen wir den großen Schrecken, aber bald harten wir unsere Ruhe wieder, denn die Carabinieri waren ganz junge Leute, die alle auf Urlaub fuhren und die uns wohl nicht einmal belästigt hätten, selbst wenn wir ihnen gesagt hatten, dass wir aus Deutschland kamen. Allerdings ließen wir dies lieber sein, blieben weiterhin stumm wie tote Fische.

Die Fahrt ging weiter, mit der Zeit und mit der Dunkelheit die hereinbrach, nickten wir sogar ein und es ist nichts weiter zu sagen, als das wir unbehelligt nach Bozen kamen, in den Bahnhof liefen wir eben vor zehn Uhr abends ein. Schnell verließen wir den Zug und den Bahnhof, letzteren allerdings erst, als wir erfahren hatten, dass der nächste Zug nach Genua erst am anderen Morgen um acht Uhr fuhr.

Wir wollten nun noch zuschauen, zu Geld für die Weiterreise zu kommen, aber wie, das wussten wir vorerst nicht. Es war zehn Uhr und völlig dunkel, so schauten wir uns nach einem Gasthaus um, der einzigen Stelle, wo noch Betrieb sein könnte und wo wir möglicherweise etwas verkaufen könnten. So wanderten wir durch die Strassen und landeten schließlich in einer ganz kleinen Kneipe unweit des Bahnhofs. Viele Leute waren nicht da und so hatte der Kellner oder besser, Besitzer des Lokals Zeit, sich unsere Geschichten anzuhören. Das wir Geld haben wollten, hatten wir ihm sehr schnell beigebracht und so boten wir unsere Ware an, bestehend in der Hauptsache aus Kleidungsstücken, wie Mantel, Pullover, usw. und außerdem noch eine Goldmünze, die Heika hatte, zur Not sollte auch meine Armbanduhr verkloppt werden, die eigentlich Miguel als Belohnung für seine Papiere zugesprochen war. Nun, es dauerte lange, ehe der gute Mann, der offenbar Lust hatte sich einige Sachen anzueignen, zu einem Entschluss kam und dann kaufte er uns einen Pullover und einen kurzen Mantel oder eine Joppe, wie man dieses Bekleidungsstück in Deutschland betitelt, ab. Wir bekamen dafür etwa zweitausend Lire, konnten mit dem Geld aber noch nicht bis nach Genua reisen und so entschlossen wir uns, als wir merkten, das wir dem Mann nichts mehr aufbinden konnten, dazu, erst mal bis nach Verona zu fahren, wo wir Mittags sein würden und dort musste dann auf jeden Fall die Goldmünze verscheuert werden, die mehr einbringen musste und bis nach Genua reichen sollte. Erst mal bestellten wir uns noch etwas zu essen und vertilgten mit großem Appetit zwei harte Eier und belegte Brötchen. Ein Glas Bier zur Begleitung beendete unser Abendbrot und ein kleiner Teil des eben erstandenen Geldes ging wieder in die Hände des ehemaligen Besitzers über. Dann gingen wir zum Bahnhof, um die Fahrkarten bis Verona zu kaufen, aber es war schon Mitternacht geworden und die Schalter waren gerade alle zu, so mussten wir bis zum Morgen warten. Wir hatten schon versucht, uns nach einer Schlafgelegenheit umzusehen, aber nirgends war etwas zu finden, auf jeden Fall für billiges Geld und so mussten wir uns wohl oder übel dazu entschließen, die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen, also acht Stunden bis zur Abfahrt des Zuges. Langes Versteckspiel machten wir nun nicht, denn direkt vor dem Bahnhof lag ein kleiner Park und den suchten wir auf, suchten uns einen schönen Baum aus und legten uns einfach auf die Erde. Kalt war es nicht, in Italien, wo wir jetzt endlich waren, war der Sommer noch lange nicht zu Ende und so hatten wir es nicht nötig uns vor dem frieren zu fürchten. Vor Polizeistreifen schienen wir auch jeglichen Respekt verloren zu haben, denn es war ja nun nicht das natürlichste der Welt, dass sich drei Leute unter einen Baum zum schlafen legen! Nun, wir taten jedenfalls so, als ob es wäre und es gelang uns sogar ganz leidlich einzuschlafen. Gegen sechs Uhr morgens war es mit dem Schlafen vorbei und so setzten wir uns hin und unterhielten uns, denn auf dem Bahnhof wollten wir uns noch nicht blicken lassen. Es wurde sieben und es begann hell zu werden, somit konnten wir unsere Position nicht länger halten, ohne dann aufzufallen und so gingen wir gemächlich auf den Bahnhof zu. Wir traten in die Schalterhalle und waren angenehm überrascht, weil sehr viele Leute dort waren, so konnte man gut darunter verschwinden und zog sich nicht die Aufmerksamkeit irgendwelcher unerwünschter Elemente zu. Vor den Schaltern waren ziemlich lange Schlangen von Leuten die die Ansicht haben mussten zu verreisen und da uns nichts daran lag noch länger die Gastfreundschaft von Bozen zu genießen, wurde Miguel abkommandiert, um die Fahrkarten zu lösen, was auch leicht gelang, denn Bahnbeamte sind keine Polizisten, die bei jedem harmlosen Menschen ein Verbrechen wittern. Mit einer Fahrkarte in der Hand zogen wir dann in Richtung Bahnsteig, hatten jetzt aber doch wieder etwas Bammel, dass an der Sperre noch einmal eine Kontrolle sein könnte, aber nichts war da, der Beamte knipste unsere Karten wie die aller Reisender, was uns eher komisch anmutete, waren wir es doch bald gewohnt so halb als ausgestoßen von der Menschheit zu gelten und dann gingen wir zu unserem Zug, der brav auf uns wartete. Im Zug selbst war auch ein ganz schönes Gedränge aber es gelang uns sogar Sitzplatze zu erringen. Eine Weile dauerte das Warten noch, aber einige Minuten nach acht, fuhr der Zug schnaufend los. Besonders schön war der Wagen nicht, er hatte, wie in Deutschland alle Waggons, keine Fenster und war außerdem reichlich dreckig, aber wir fuhren ja nach Süden und so wurde all dies leicht überstanden, weniger schönes war uns oft begegnet. Um uns herum standen viele Leute, auch solche, die einen Sitzplatz eher als wir beanspruchen konnten, aber einmal durfte wohl niemand solch einen Spaziergang hinter sich wie wir und dann wollten wir nicht etwa durch große Höflichkeit in Versuchung gebracht werden, von jemanden angesprochen zu werden, da wir als Nichtitaliener vielleicht doch irgendwie Misstrauen hätten erwecken können.

Über die Fahrt ist sonst weitern nichts zu sagen, wir wurden fröhlicher je weiter die Grenze an uns vorbeisauste und zurückblieb und hofften immer weiter, dass uns das Gluck nicht verließe, nun wir schon so weit gekommen waren.

Mittags um halb zwei Uhr etwa, kamen wir in Verona an und stiegen aus.

Wir wollten nun auf großen Verkauf gehen und durch die Stadt wandern und da wir keine große Lust hatten, alle unsere Sachen mitzunehmen, entschlossen wir uns unsere "schweren Koffer" auf der Aufbewahrungsstelle zu lassen. Dies sollte sehr unklug von uns sein, wie wir sehr bald merken sollten, aber wir taten es, Miguel brachte die drei Taschen weg und steckte die Zettel zum Abholen wieder ein, nachdem wir sie gesehen hatten. Dann zogen wir los und kauften uns als erstes für unsere restlichen Moneten Weintrauben, die wir seit

Spanien nicht mehr probiert hatten und die wie ein Weihnachtsfest schmeckten. Dann gingen Miguel und Heika los, um das Goldstück zu verkaufen und ich blieb bei einem Bier in einem Lokal sitzen. Überhaupt muss ich bemerken, dass wenn ich sage, "wir verkauften oder wir gingen handeln" ich nicht gemeint bin, denn mit sehr seltenen Ausnahmen, war ich nicht beteiligt, denn ich habe nun mal keine Neigung so dreiviertel betteln zu gehen, obwohl es verdammt nötig

war für unsere Weiterfahrt. Nur bei anderen Abgelegenheiten redete ich öfters für die anderen, da es mir leichter fiel, mich mit den Italienern zu verständigen. Ich saß etwa anderthalbe Stunde da, als Heika und Miguel wieder kamen, wie ich gleich sehen könnte, mit recht zufriedenen Gesichtern. Also, sie hatten das Goldstück einigermaßen günstig verkaufen können und mit ungefähr 5000.- Lire in der Tasche kamen sie zurück. Immerhin reichte das Geld mit aller Sicherheit bis nach Genua. Einen Teil des Geldes, etwa 2.000.-Lire, hatte Heika dem Miguel gegeben, als Bezahlung für die Papiere.

Meine Uhr hatte ich ihm inzwischen auch schon gegeben und meinen Mantel hatte er sich auch schon umgehängt, angeblich fand er, dass er gut aussehe darin und ich war nur froh, dass er ihn mir bei der Hitze, denn es war herrlich warm, abnahm. Nun gingen wir mit unserem neuerworbenen Reichtum erst mal essen und verzehrten einige belegte Brote und tranken herrlichen Wein dazu. Viel Obst hinterher und wir waren befriedigt. Nun setzten wir uns noch gemütlich hin und wollten in etwa einer bis zwei Stunden zum Bahnhof, um einen Zug nach Genua zu erreichen.

Aber dann passierte Heika und mir etwas, was uns zeigte, dass man am besten auf niemanden außer auf sich selbst verlassen soll und dass man eben niemandem glauben soll, selbst wenn er noch so dumm und gutmütig aussieht. Wir sollten etwas erleben mit Miguel, von dem wir glaubten, er werde sicher nichts tun ohne uns und er wollte sicher mit uns nach Genua und von dort nach Spanien, denn er hatte bisher noch keinen Ton von sich gegeben und nur getan was wir wollten.

Also, der gute Miguel wollte plötzlich gehen und sich die Schuhe ! putzen lassen!! Wir waren so einfältig und fanden nichts daran, vor allem da er uns noch aufforderte mitzugehen. Nun, wir sagten ihm, er solle in einer halben Stunde wieder da sein, dann wollten wir zum Bahnhof, um mit dem nächsten Zug nach Genua weiter zu reisen. Er versprach das auch und zog der Stadt zu davon. Wir beiden warteten inzwischen und unterhielten uns, wir warteten eine viertel Stunde, eine halbe Stunde und niemand erschien, d.h. viele Leute kamen vorbei, nur unser Miguel nicht und mit der Zeit wurden wir nervös, denn wir wollten nun weiter und der Gute wollte mit. Nach einer dreiviertel Stunde, gingen wir etwas der Stadt zu, um ihn zu suchen und da wir ihn nicht sahen, entschlossen wir uns noch ein wenig auf dem festgesetzten Platz zu warten, dann wollten wir eben alleine zum Bahnhof und abfahren, aber :das hatte eben einen Haken, unsere Gepäckaufbewahrungsscheine hatte Miguel und es würde schwierig sein ohne dieselben das Gepäck zu bekommen. Aber der Jüngling erschien nicht und so wollten wir eben versuchen unsere beiden Taschen so zu bekommen, indem wir sagten was genau drinnen war. Wir entschlossen uns also ohne ihn die Reise fortzusetzen und zogen los, aber irgend ein komisches Gefühl hatten wir doch und es kam uns sehr spanisch vor, dass der Miguel nicht mehr zurück gekommen war. Sehr schnell sahen wir nun was die Glocke geschlagen hatte, denn als wir zum Bahnhof kamen, und an den Gepäckschalter gingen, war der Beamte sehr freundlich, hatte nichts dagegen uns unsere Sachen zu geben, wenn wir den Inhalt angeben könnten, aber wir konnten suchen soviel wir wollten, Heika durchstöberte alles Gepäck und fand unsere Taschen nicht. Die Sache war also ganz einfach die, dass Miguel nicht zum Schuhputzer gegangen war, natürlich nicht!, sondern gleich um die nächste Ecke gebogen sein musste, zum Bahnhof gegangen war, das Gepäck geholt, hatte und damit dann auf und davon seiner eigenen Wege. Zu deutsch: er hatte uns herrlichst betrogen und beklaut. Nun standen wir da, nur mit dem was wir auf dem Leibe hatten und zum Glück wenigstens noch soviel Geld in der Tasche, dass wir mit Sicherheit bis nach Genua fahren konnten. Nun, weinen hätte keinen Sinn gehabt und so kauften wir denn schnell die Fahrkarten für den nächsten Zug, außerdem ein Eis und warteten die Zeit bis zur Abfahrt. Nur etwas taten wir ausgiebig, auf unseren Begleiter fluchen, aber es war eher lächerlich als beruhigend, denn die dummen waren immer wieder wir, mochten wir die Sache wenden wie man wollte.

Nun, unsere Zeit kam und wir bestiegen ohne Gepäck und dreckig und unrasiert, was augenblicklich fast noch schlimmer war, den Zug, der uns weiter der Heimat zu führen sollte. Nicht einmal einen Sitzplatz bekamen wir nun, aber wir waren zu erledigt, als dass wir hätten die ganze Fahrt über stehen können und so taten wir nicht lange schön, sondern setzten uns gleich auf den Boden, von dem wir nur aufstanden, wenn unbedingt jemand durch wollte.

Eigentlich hatte ich die Absicht gehabt, vorerst nur bis Mailand zu fahren, da ich wusste, dass an dem dortigen Konsulat telegrafisch aus Madrid, Anweisung gegeben worden waren, uns, Karlos in dem Fall und mir, das Spanische Einreisevisum zu geben, aber es war nicht zweckmäßig nötig, denn wir hatten nicht sehr viel Geld und wollten lieber erst mal richtig bis nach Genua gelangen, wo ja auch ein spanisches Konsulat war, das dann eben die Sache telegrafisch in Mailand beantragen sollte. So hatten wir unsere Billets bis Genua gelöst und fuhren drauflos. Über die Fahrt ist weiter nichts zu sagen, es wäre sicher herrlich gewesen wenn man in einem bequemen Sesse1 hätte sitzen können und auf Ferien gefahren wäre, aber so hatten wir nur wenig Sinn für die herrliche Landschaft die an uns vorüberflog und selbst der Gedanke, dass wir so schnell sicher nicht wieder nach Italien kommen würden konnte es nicht fertig bringen, uns wacher zu machen.

Nach der halben Strecke hatten wir aber etwas Glück, denn wir konnten erst einen, später zwei Sitzplätze erobern und darauf blieben wir nun wie festgeklebt sitzen.

Acht Uhr abends war es wohl, als wir in Mailand einliefen und nun mussten wir unseren Zug verlassen denn es musste umgestiegen werden und zwar sehr rasch, denn der nächste Zug stand schon wartend bereit, um die Weiterreise anzutreten. Mit unserem nichtvorhandenem Gepäck, war es ein leichtes, schnell zu machen und so hatten wir schnell den anderen Bahnsteig und den Zug erreicht. Es dauerte auch nicht lange, gerade dass alle Leute die es nötig hatten umgestiegen waren, als der Zug sich in Bewegung setzte, um die letzte Strecke durch Italien uns zu führen. Der Zug brauste in einer schönen Geschwindigkeit daher und es dauerte nur eben über zwei Stunden, da hatten wir die Strecke Mailand-Genua bewältigt. Ab Bozen hatten wir auf der ganzen Fahrt keinerlei Berührung mit irgendwelcher Polizei oder sonstigen ungemütlichen Leuten, aber die Angst hatten wir nie ganz verloren, obwohl wir nicht mehr vorsichtig waren, was allerdings auch nicht gut möglich war. Nun in Genua verließen wir sehr schnell den Bahnhof und standen mitten in einer belebten Großstadt, wo die Autos und die Straßenbahnen einen uns ungewohnten Lärm machten. Aber all dies war uns nur angenehm, denn der viele Trubel gab uns unsere Sicherheit zurück und wir waren außerdem natürlich überglücklich, endlich unser vorläufiges Reiseziel erreicht zu haben.

Aber auch in Genua gab es gleich bei der Ankunft noch genug Schwierigkeiten. Einmal kamen wir mitten in der Nacht an, nach Mitternacht schon und nun mussten wir erst mal schauen wo wir unterkommen konnten, was nicht leicht wer, denn wir konnten nur in eine sehr billige Spelunke gehen, hatten wir doch nur noch sehr wenig Geldmittel. Wir suchten nun, aber etwas kleines war nicht zu finden und so mussten wir in einem mittelmäßigen Bahnhofshotel nachfragen, was ein Zimmer mit zwei Betten für eine Nacht kosten sollte. Wir bekamen ihn zu hören und waren etwas beruhigt, denn für eine Nacht hatten wir noch genug und für etwas Essbares für den anderen Tag auch, also gingen wir in unsere Zimmer, denn eines für beide war nicht da, meines war ganz leidlich, aber Heikas war nur eine kleine Kellerkammer mit einem Bett und einer kleinen Kommode. In diesem Zimmer hing sogar noch Wäsche des ehemaligen Bewohners, der anscheinend nur auf sehr kurze Frist seine Behausung verlassen hatte und wohl bald wieder kommen würde. Wir verabschiedeten uns also und gingen auf die Zimmer, um zu versuchen, uns erst mal zu waschen und dann wollten wir einen herrlichen Schlaf tun, was wir mehr als nötig hatten, denn seit unserem Abmarsch aus Mittenwald hatten wir nur sehr, sehr wenig schlafen können und so waren wir richtig erledigt. Mit Wasser el"! eine versuchte ich nun auf meinem Zimmer einigermaßen den Dreck abzukratzen, denn Seife oder sonstige Hilfsmittel zum Waschen waren uns ja abhanden gekommen. Sehr gut ging das nicht, wesentlich besser wirkte nachher das abtrocknen, denn bei ordentlichen reiben, blieb der Schmutz größtenteils am Handtuch hängen und wir waren ihn so einigermaßen Io3f nur leider konnte ich mich nicht rasieren, was mir am peinlichsten war, denn seit Mittenwald war mir ein ganz netter Stoppelbart gewachsen. Ich wollte anderen Tags mich lieber rasieren lassen, als --oE.HS essen, denn wenn ich mich in solchen Zustande auf dem spanischen Konsulat blicken ließe, würden wir sogleich rausgeschmissen werden und dazu hatte ich gar keine Lust. Nun, nach der leidlichen Säuberung, ging es marsch ins Bett und im Nu war ich auch eingeschlafen, ich glaube, noch bevor ich richtig lag.

Am anderen Tag wurde ich etwa gegen neun Uhr wach, was mir wie ein Wunder vorkam, denn wir waren doch erst etwa um ein Uhr ins Bett gekommen vielleicht noch später. Aber der Drang etwas zu tun muss wohl dieses Wunder bewirkt haben. Jedenfalls schüttelte ich beim Wachwerden die Müdigkeit gleich ab und stand auf, wusch mich nochmals so gut es eben ging und wollte dann Heika wecken gehen, der aber auch schon aufgewacht war und sich gerade anzog. Ich ging also in sein Zimmer, um ihm Gesellschaft zu leisten und vor allem mit ihm das zu beraten, denn wir hatten viel zu tun. Als erstes stellten wir zu unserem nicht geringen Schrecken fest, dass wir Sonntag hatten, was wohl bedeutete, dass das Konsulat nicht arbeiten würde und wir noch einen Tag so vergehen lassen mussten. Alles wäre ja noch gut gewesen oder wenigstens nicht so schlimm, wenn wir Geld gehabt hätten, aber für noch eine Nacht im Hotel konnte es nicht mehr reichen. In meinem Ärger fing ich an etwas zu tun, was man eigentlich nicht soll, aber da es Heikas Zimmer war, glaubte ich eine Berechtigung zu haben und so fing ich an dass ganze Zimmer zu durchstöbern, was allerdings sehr leicht war. Alle Schubladen waren leer, aber öffnen der letzten, entdeckte ich etwas was mein Herz höher schlagen ließ und zwar einen Rasierapparat! Auch Seife und der Rasierpinsel waren da und so bat ich den Besitzer der Gegenstände im stillen um Vergebung, aber seine Sachen mussten nun mir dienen. In Heikas Zimmer es nun leider kein Wasser, nur vor der Tür war ein Waschbecken, das zum W.C. gehörte und so musste ich mich draußen einseifen und rasieren, immer darauf wartend, das mich jemand sah. Schlimm wäre es ja nicht gewesen, aber gewundert hätten sich die Leute doch, dass ich mich so ganz angezogen und dann im Gang rasierte. Nun, mir war alles sehr wurscht und ich rasierte in aller Gemütsruhe fertig und nicht nur mein Aussehen, sondern auch meine Laune waren nachher um ein Bedeutendes besser. Auch Heika bediente sich nach mir und dann wurden die Sachen fein säuberlich an ihren Platz gestellt, sie hatten ihre Pflicht erfüllt.

Geld hatten wir wie gesagt nur noch wenig, zu einer zweiten Nacht im Hotel hätte es doch nicht gereicht und so ließen wir uns noch ein ordentliches Frühstück munden. Dann wurde beratschlagt. Ich wol1te gleich nach dem Frühstück alleine auf die Schifffahrtsgesellschaft Transmediterranea, bei der wie wir wussten für Heika und für mich Passagen von zu Hause ans vorausbestellt bereitlagen, dort wollte ich mich nach diesen und nach dem spanischen Konsulat erkundigen, denn ich nahm an, dass ein Spanier der Chef sein würde. Ich zog also bald los und hatte nicht weit zu laufen denn das Büro lag sehr nahe bei unserer Unterkunft. Erst mal hatte ich insofern Glück, als der Laden trotz des Sonntages Betrieb hatte und auf meine Frage nach dem Chef, kam ein Herr heraus, der sich leider als Italiener entpuppte, der allerdings gut spanisch sprach. Ich konnte die Listen der Billets einsehen und stellte zu meiner Befriedigung fest, dass effektiv für uns Billets reserviert waren. Über meinem stand Karlos Name durchgestrichen in der Liste, er hatte seine Passage ja schon benutzt. Dann erkundigte ich mich nach dem Konsulat und man sagte mir, vor Montag sei nichts zu machen, denn der Sonntag wurde dort heilig gehalten.

Nun war ich noch in einer sehr bösen Absicht auf das Büro gegangen, denn ich wollte, wenn der Chef, was wir annahmen, ein Spanier war, den Mann eventuell um Geld bitten, um bis Montag das Hotel zu bezahlen, aber ich ließ meinen Plan gleich fallen, als mir der Italiener entgegen kam und so zog ich bald wieder ab, zwar in dem Bewusstsein, eine Passage nach Barcelona zu besitzen, aber mit leeren Taschen. Im Hotel angekommen, wurde wieder überlegt, wie es zu machen sei, dass wir auch für die nächste Nacht unterkommen konnten uns schließlich entschlossen wir uns dazu, den Leiter des Hotels in unsere Not einzuweihen und ihn zu bitten uns bis zum Montag zu beherbergen, wir wollten ihm als Pfand Heikas Uhr und unsere Papiere dalassen. Wenn wir nicht zu Geld kommen konnten, sollte die Uhr eben dran glauben und die Papiere interessierten uns sowieso nicht mehr, denn wir hatten bisher nur die rotspanischen Ausweise benutzt, die aber außer Dienst gestellt werden mussten, sobald wir aufs Konsulat gingen. Der gute Mann machte aber auch gar keine Schwierigkeiten, sondern erklärte sich einverstanden, gab uns sogar den ganzen Tag die normale Verpflegung der Hotelgäste. Scheinbar sahen wir sehr anständig ans und vertrauenerweckend.

Den Sonntag verbrachten wir damit das Konsulat uns anzusehen, allerdings nur von draußen und dann bummelten wir durch Genua und besahen uns die Stadt, die uns sehr gefiel. Abends gingen wir zeitig schlafen denn der nächste Tag versprach anstrengend und vielseitig zu werden.

Früh um acht waren wir am Montag schon auf den Beinen und nach einem Frühstück, den das Hotel uns wieder gab, zogen wir los aufs Konsulat.

Ich ging ziemlich siegessicher los, denn ich nahm ja an, dass es für mich keine Schwierigkeiten geben würde, hatte ich doch das Einreisevisum in Mailand sicher, aber es sollte anders kommen. Heika dagegen war nicht so ganz sicher um seine Sache, denn er hatte das Visum nicht und musste so schauen weiterzukommen, sich also als voller Spanier durchmogeln. Eines hatte er mir allerdings über, er hatte vom spanischen Konsulat in Düsseldorf einen Staatsangehörigkeitsausweis der ihn als Spanier erklärte. Trotzdem hatten wir beide keine große Sorge- und erschienen um punkt neun Uhr auf dem Konsulat, wo die Arbeit gerade anfing. Wir meldeten uns beim Kanzler und sagten wir seien beide Spanier, die nach Hause wollten, aber der Mann wollte vor allem unsere Papiere sehen und zog damit zum Konsul.

Da standen wir nun, ohne einen Ton gesagt zu haben und warteten auf den Bescheid, den der Kanzler uns bringen würde. Wir mussten ziemlich lange warten und als der Kanzler endlich erschien, mit unseren "Ausweisen in der Hand, stürzten wir sogleich auf ihn ein. Wir halten die Absicht einige Erklärungen abzugeben, aber der gute Mann ließ uns gar nicht zu Worte können, er sagte uns wenn auch nicht wörtlich, so doch recht deutlich, dass er überzeugt sei, das wir keine richtigen Spanier wären, dass das bei ihm aber kein Grund zu großen Untersuchungen sei, wenn nur die Papiere in Ordnung seien und das sei nur bei Heika der Fall, der mit seinem aus Düsseldorf stammenden Staatsangehörigkeitsausweis reichlich ausgewiesen sei, aber mein Pass, ich hatte einen in Rosenheim von deutscher Behörde ausgestellten Fremdenpass, lautend auf spanische Staatsangehörigkeit, sei nicht gültig, ich könne also nicht nach Spanien. Heika aber bekam mit einem anderen jungen Mann zusannen einen Sammelpass und könnte schon am Mittwoch das Schiff nehmen. Ich war mit einen Male ganz erschlagen, denn ich hatte mir das doch so ganz anders, ganz einfach gedacht, vor allen, da ich mein Visum schon hatte, wenn es auch in Mailand war!

Nun endlich hatte der Mann seine Geschichte herunter und wir redeten. Ich erklärte ihm, dass ich wohl deutscher Abstammung sei, das sich aber vom spanischen Auswärtigen Amt die Einreiseerlaubnis hätte, die telegraphisch nach Mailand gesandt worden sei, wo man nur anzufragen brauchte und erklärte ihm, dass wir beide ganz auf die Hilfe des Konsulates angewiesen seien, da wir keinerlei Mittel hätten, uns bis zum Abfahrtstag unterzubringen, mit Schlafen und Verpflegung.

Zuerst wollte er sich gar nichts anhören der gute Kanzler, aber schließlich wurde er etwas zugänglicher und erklärte uns, wir könnte in einer Pension auf Kosten des Konsulates unterkommen, aber mir könne er bis auf weiteres die Heimreiseerlaubnis nicht geben, ich solle nach Madrid auf meine Kosten telegraphieren und bitten die Bestätigung zu senden, das dort die Einreisebewilligung vorliege für mich. Wir hatten nun aber kein Geld dafür und so baten wir den Kanzler uns erst mal auszulegen, wir würden es ihm so bald es ginge zurückerstatten. Wir waren ihm anscheinend doch nicht so ganz schlecht aufgefallen, denn er sagte zu und gab mir das nötige Geld, um ein Telegramm aufzusetzen, sagte mir aber, die Antwort müsse ich dann auch noch nachbezahlen, worauf ich erst mal ja sagte, obwohl weder mir noch Heika ganz klar war, woher wir Geld bekommen würden.

Reichlich niedergeschlagen, mit einem Wisch für das Unterkommen in der Pension und dem Geld für das Telegramm in der Tasche, zogen wir also los, wollten am anderen Tag wiederkommen, sehen ob schon aus Mailand Antwort eingetroffen sei.

Zuerst ging es aufs Telegrafenamt und das Telegramm wurde aufgegeben. Dann gingen wir zu der Pension, wo wir ohne Zögern aufgenommen wurden, allerdings konnten wir nicht an einem Ort essen und schlafen, zum

schlafen mussten wir woanders hin, aber das erschütterte uns nicht weiter. Bis zum Mittagessen, das um halb zwei sein sollte, blieben wir in der Pension Ferro, wie sie nach ihrem Leiter und Besitzer sich

nannte und kurz vor den Essen erlebten wir noch eine Überraschung, die zugleich die Erklärung abgab, weswegen ich nicht nach Spanien fahren dürfen sollte. Die Tür ging nämlich auf und es erschienen vier Leute, ein Fräulein und drei Männer, die mir, allerdings nur die drei Männer sehr bekannt vorkamen und sogleich hatte ich sie auch erkannt, es waren drei Genossen aus Mittenwald, alle so wie wir entweder gar nicht oder nur halb spanischen Blutes. Gleich ging es ans erzählen und die vier sagten, sie hätten auch noch nicht die Erlaubnis bekommen zu fahren und zwar aus dem Grunde, weil schon sehr viele "Fälle" wie wir nach Genua gekommen waren und die Alliierten langsam aufmerksam geworden seien und daher das Konsulat nicht mehr so freigebig sein durfte mit Visumserteilung. Es war angeblich Befehl gekommen, nur dann das Einreisevisum zu erteilen, wenn von der Besatzungsbehörden in Deutschland die Ausreiseerlaubnis erteilt worden sei. Und das war bei uns allen nicht der Fall und leidliche Papiere hatte nur Haika von uns allen. Trotzdem hatte man allen einige Hoffnung auf den Konsulat gemacht und uns nicht ganz im Stich gelassen, denn sonst hätte man uns nicht die Pension zugewiesen.

Von den vier Leutchen die wir vorfanden hatte nur eines Geld, nämlich das Mädchen, die aus Österreich kam und in Italien irgendwelche Bekannten hatte, die ihr Geld gegeben hatten. Da sie sehr reichlich hatte bat ich sie darum, mir welches zu leihen, um unser Hotel, indem noch immer Heikas Uhr und die falschen Papiere lagen, zu bezahlen und das Telegrammgeld zurückerstatten zu können. Sie gab mir auch welches und so bezahlten wir am Nachmittag unser Hotel, waren somit beruhigt, denn sicherer waren die Papiere bei uns und Heika hatte seine Uhr wieder und wir waren nicht ganz dumm aufgefallen. Der Tag verging sonst ohne etwas besonderes und am Abend zogen wir in die uns zugewiesene Schlafpension, wo wir sogleich in die Betten fielen und herrlich bis zum anderen Morgen schliefen. Um punkt neun Uhr, waren wir wieder auf dem Konsulat und mussten leider hörten, das bisher noch keine Antwort aus Mailand eingetroffen sei. Sonst hatte sich nichts weiter geändert, nur Heika musste seinen Ausweis abgeben, damit man seinen Pass machen konnte, den er am Nachmittag abholen sollte, um am Mittwoch das Schiff zu nehmen. Er hatte wirklich Glück, würde schon in zwei Tagen in Barcelona sein, was gleichbedeutend war mit zu Hause. Wir anderen dagegen hatten vorläufig nur sehr wenig Hoffnung.

Wir bezahlten auf dem Konsulat noch das Telegramm und dann gingen wir wieder los, aber weit kamen wir nicht, denn beim Ausgang trafen wir mit einem Italiener zusammen, der anscheinend mit dem Kanzler des Konsulates befreundet war und der uns erst in ein langes Gespräch verwickelte, dann uns fragte ob er uns helfen könne. Helfen konnte uns aber nur, wer uns entweder nach Spanien brachte oder uns wenigstens zu Geldmitteln verhalf und in diesen Augenblick hatte Heika auch eine Idee, durch die der gute Wille des ewigen Schwätzers Anwendung fand. Heika hatte aus Mittenwald einen kleinen Edelstein, einen Opalstein mitgebracht, den er nicht hatte verkaufen wollen, da es ein Geschenk sein sollte aber nun wir Geld nötig brauchten, vor allem ich, entschloss er sich doch zum Verkauf und er fragte den Italiener, ob der nicht einen Juwelier kenne, der uns für den Stein anständig bezahlen würde. Und siehe da, der Mann wusste einen und so zogen wir mit ihm davon durch die Strassen von Genua und landeten schließlich in einer sehr großen Juwelierwerkstatt, in die Heika mit dem Italiener gingen. Es dauerte ewig lange und ich dachte schon, Heika sei aufgefressen worden, aber nach geraumer Zeit erschienen die beiden wieder und Heika mit recht zufriedener Miene. Er hatte eine ganz nette Summe erhalten, zwar nicht den ganzen eigentlichen Wert der Steine, das heißt, nicht soviel wie Heika in Deutschland dafür bezahlt hatte, aber immerhin hatten wir, ich sage immer wir, denn auf dieser Reise gehörte alles beiden, erst mal keine Geldsorgen. Wir unterhielten uns noch eine Weile mit unserem Helfer und dann gingen wir zur Pension. Unterwegs kauften wir allerdings noch verschiedenes ein, was wir brauchten und nicht so nötig brauchten, wie einen Rasierapparat, Seife, Obst und Zigaretten.

Der Rest des Vormittags und der Mittag verliefen gut, aber der Nachmittag brachte uns Vieles und leider nichts Gutes. Wir hatten gerade gegessen und saßen bei einer gemütlichen Zigarette, als es klingelte und eine Gruppe von vier jungen Leuten zu uns hereinkam, die sich als Mittenwalder entpuppten und die wir alle gut kannten, auch solche Fälle wie wir waren. Die Tatsache, dass sie kamen wäre ja nicht so schlimm gewesen, aber schlecht waren die Nachrichten, die sie aus dem Konsulat mitbrachten. Den guten Leuten dort war es zuviel geworden, was Spanier sein wollte und es nicht ganz richtig war und nun hatten sie erklärt, keinen mehr in eine Pension aufnehmen zu wollen, auch die, die schon dort waren, seien ab Mittwoch auf sich selbst angewiesen! Das war nun allerdings schlimm, denn mit dem Geld das ich hatte, Heika würde ja morgen fahren, konnte ich nicht länger als eine Woche in der Pension bleiben und meine Kosten bestreiten und ich befürchtete sehr, dass sich die Sache länger als eine Woche hinziehen würde. Bei den anderen war es noch schlimmer, denn die Ärmsten hatten keine einzige Lire in der Tasche, waren also ganz auf Unterstützung des Konsulates angewiesen! Nun musste aber etwas gemacht werden, denn auf der Strasse konnten wir ja nicht bleiben und so zogen wir den Besitzer der Pension hinzu und fragten, ihn, ob er uns nicht Kredit geben wolle, wir würden ihn Bezahlen, indem wir entweder von Spanien uns Geld schicken lassen wollten oder aber ihn in Spanien selbst durch einen Mittelsmann bezahlen lassen, gesetzt der Fall, dass wir bald fahren könnten. Nun hatten wir im Unglück doch wieder Glück, denn dieser Herr Ferro, der übrigens ein ziemlicher Gauner war, war selber halber Spanier und hatte zudem eine Spanierin zur Frau, die in Barcelona wohnte und so ließ er sich auf diese verzwickte Angelegenheit ein und wollte uns weiter bewirten. Somit war erst mal die drohende Gefahr, auf der Strasse zu landen behoben, das weitere musste sich entwickeln.

Über all diese Probleme und Aufregungen hin, wurde es Abend und wir zogen wieder an unserer Schlafstelle.

Der nächste Tag brachte ohne das wir es ändern konnten an und wir standen sehr früh auf. Heika und ein junger Mann, der wie sich später zeigte, auch Deutscher war, aber gute Papiere hatte und daher ganz durchkam, machten sich reisefertig und wollten schon sehr bald am Hafen sein, wir anderen standen auf, um ihnen Gesellschaft zu leisten, d.h. nur Heika, denn der andere wohnte nicht bei uns und wollte erst kurz vor dem Abrücken kommen. Um halb acht Uhr zogen die beiden los und ich blickte etwas neidisch ihnen nach, trug Heika noch vieles auf für Spanien und für zu Hause, denn von dort erhoffte ich noch Hilfe und dann waren sie weg und wir standen da. Allerdings hatten wir uns bald aufgerafft, gingen zum Frühstück und dann einige von uns aufs Konsulat, um dort mal wieder nachzufragen, wie die Sache mit uns stünde.

fangekommen musste ich erfahren, dass noch immer keine Antwort aus Mailand eingetroffen war und so fasste ich sogleich einen großen Entschluss, einfach selber nach Mailand zu reisen und dort mir mein Visum zu holen. Im Übrigen empfing uns der Konsul in eigenster Person und erklärte uns er wolle alles tun was er könnte, um uns zur Heimreise zu verhelfen, nur unterbringen könne er uns nicht da seine Befugnisse dazu nicht reichten, es schließlich Geld des spanischen Staates sei, für das er Rechnung ablegen müsse.

Um ehrlich zu sein, die Gründe, die uns der Konsul nannte, waren Durchaus stichhaltig und wir mussten ihm recht geben. Ich verließ nun das Konsulat und gab ein Telegramm nach Spanien auf, um zu Hause zu melden, dass ich in Genua sei und um Hilfe bäte, denn ich wusste nicht, wann Heika zu Hause etwas melden können würde. Dann ging ich zum Bahnhof, um mich nach Fahrgelegenheit nach Mailand zu erkundigen und kaufte gleich die Fahrkarte für den D-Zug, der am nächsten Morgen fahren würde.

Nun ich Geld hatte, und erst mal untergekommen war, fühlte ich mich, trotz der nicht sehr großen Hoffnung, bald nach Spanien fahren zu können, recht wohl und ging nun, um mir die Zeit zu vertreiben, ins Kino und sah gleich einen tollen Hetzfilm gegen Deutschland, der mich aber mehr zum Lachen reizte, als mich ärgerte, denn er war so grotesk und ungeschickt gemacht, dass man nur den Kopf schütteln konnte. Sonst geschah nichts weiter von Bedeutung und so wartete ich nur auf meine Reise nach Mailand. Ich stand am anderen Morgen sehr früh auf und stand schon um sieben Uhr auf dem Bahnhof, verließ im Zuge Genua um halb acht. Diese nochmalige Fahrt nach Italien hinein, unternahm ich nur, weil man uns ganz sicher gesagt hatte, daß hier in den Zügen keine Kontrollen mehr gäbe, man ganz gefahrlos reisen könne. So geschah denn auch nichts von Bedeutung und in etwas über zwei Stunden war ich in Mailand. Sogleich wanderte ich in Richtung auf das Konsulat, wobei ich mich erst durch halb Mailand durchfragen musste, bevor ich das Gebäude gefunden hatte, was allerdings den einen Vorteil hatte, dass ich mir dabei die schöne Stadt ansehen konnte und mir sehr viel Zeit dazu nahm. Endlich aber landete ich an meinem Ziel und war voller Hoffnungen, denn ich nahm nicht an, dass es schwer werden würde, da von Spanien aus meine Einreiseerlaubnis erteilt worden war, aber es sollte nicht so kommen wie ich es mir erhoffte. Ich kam also in das Konsulat und wurde zunächst von einem italienischen Portier empfangen, er mich ins Wartezimmer wies und nachdem ich dort eine geraume Zeit gesessen hatte, erschien ein Fräulein, die keinen Deut Spanierin an sich hatte und sich auch sogleich als deutsche entpuppte. Die Erklärung, wieso sie als Deutsche auf dem spanischen Konsulat sei, gab sie mir ohne zu fragen, indem sie mir erklärte, der spanische Konsul sei zwar englischer Staatsangehöriger, aber deutscher Abstammung und er hätte sich eben eine deutsche Sekretärin ausgesucht. Das leuchtete mit ja alles ein, aber es interessierte mich nicht besonders und so ging ich auf den Kern der Sache los, indem ich meine Personalien angab, meinen Ausweis vorlegte und nun darum bat, mir rasch ein Visum zu geben, das mein Bruder sich schon vor etwa zwei Monaten abgeholt hätte. Sie nahm alles lächelnd zur Kenntnis und zog mit meinen Papieren zum Konsul. Es dauerte reichlich lange ehe die Gute wieder erschien und dann erzählte sie mir es sei mit der Erteilung des Visums sehr schwierig und ich hätte ungenügende Papiere und vor allem keine Ausreiseerlaubnis aus Deutschland und dann sei der Herr Konsul sehr schlechter Laune, so dass es ihr geraten erscheine erst am anderen Tage mit ihm zu sprechen, ich so1le dann wiederkommen. Sie sagte mir noch bei meinem Bruder an den sie sich gut erinnere, sei alles einfacher gewesen, weil er einen Ausweis der UNRRA gehabt hätte, auf dem die Order gestanden hätte, nach Genua zu reisen, um nach Spanien weiterzufahren und dies Papier hätte als Ausreiseerlaubnis gedient. Nun, ich hatte durchaus keine Lust dem schönen Mädchen zu erzählen, wie wir zu diesen "Ausweisen" gekommen sind so erklärte ich ihr bloß mehr oder minder deutlich, dass ich keine Zeit hätte darauf zu warten, bis der Konsul besserer Laune sei und ich vor allem nicht sehr viel Geld besäße, um eine Nacht noch in Mailand zu verbringen, musste ich ja wohl oder Übel etwas ausgeben. Aber alles reden war umsonst, die gute Person, die durchaus nicht unfreundlich war, wusste allzu genau, dass ich nicht Spanier war und dass mir sehr viel an dem Visum lag und so gab sie mir nur den guten Rat, doch das Geldopfer zu bringen und empfahl mir noch einen katholischen deutschen Verband, indem ich etwas zu essen bekommen würde. Ich musste mich also bekümmert beherrschen und zog also davon, um anderen Tages wiederzukommen. Mein erster Weg war zu dem Verband, den ich auch fand und wo ich tatsächlich ein Essen bekam, das zwar nicht gerade vor Fett triefte, aber doch besser war, als hungern. Dann ging ich durch die Stadt, um mich nach einer kleinen Pension umzusehen, in der ich die Nacht verbringen wollte. Bald fand ich auch eine, in der ich für hundert Lire ein Bett aufgestellt bekommen würde und als das nötige ausgemacht wir, zog ich los, um mir weiter die Zeit zu vertreiben und landete schließlich in einem Kino, in dem war Zigarettenrauch als Film zu sehen denn in Italien besteht die komische Angewohnheit in den Kinos zu rauchen. Als ich das Kino verließ, war es schon recht spät und so ging ich zur Pension, wo ich ohne viel Federlesen in meine aufgebaute Koje ging. Abendbrot hatte ich keines gegessen, denn ich wollte mein Geld nicht ganz verbrauchen und so marschierte ich anderen Tags recht hungrig, denn ich hatte auch nicht gefrühstückt, zum Konsulat.

Dort empfing mich wieder das Fräulein, die es nun wagen wollte, mit dem Konsul zu sprechen. Wieder dauerte es sehr lange und dann erklärte sie mir es ginge nicht zu machen, der Konsul wolle das Visum nicht geben , da ich keine Ausreisegenehmigung aus Deutschland hätte und meine Papiere nicht gut seien. Allerdings sagte sie mir, sie hätten nach Genua telegrafiert und Zwar schon einen Tag vor meiner Ankunft in Mailand und dorthin gemeldet, dass ich die Einreiseerlaubnis wenn ich eine Ausreiseerlaubnis vorweisen könne. Sie meinte dann ich solle nur zurückfahren und mein Glück in Genua versuchen, vielleicht nahmen sie es dort mit den Papieren nicht so genau. Ein schöner Trost das! Aber da in Mailand nichts zu erreichen war, musste ich wohl oder übel zurückfahren und in Genua nochmals alles versuchen. Ich löste also meine Fahrkarte und war zum Abendessen wieder in meiner Pension in Genua angelangt, mit etlichen Liren weniger in der Tasche und um eine Enttäuschung reicher. Ich fand nun in Genua ein Telegram aus Spanien vor, in den mir von zu Hause mitgeteilt wurde, das denn, nochmals das Auswärtige Amt veranlassen wurde, nach Genua diesmal, meine Ausreiseerlaubnis zu bestätigen.

Am nächsten Tag war nun mein erster Gang natürlich ins Konsulat, wo mich der Kanzler sehr freundlich empfing und mir mitteilte, dass man mir ein Visum geben wolle, außerdem noch zwei anderen, einem Mann von unserer Gruppe und dem Mädchen aus Österreich, die beide inzwischen aus Spanien auch die Einreiseerlaubnis erhalten hatten. Von einem Ausreise-Visum aus Deutschland würde nichts erwähnt. Ich war reichlich überrascht über diese plötzliche Wendung der Dinge und nicht gering erfreut, denn so würde ich ja schon am nächsten Mittwoch, fahren können! Nun geschah bis zum Montag nichts weiter, wir vertrieben uns die Stunden durch Spazieren gehen und Kinobesuch. Am Montag aber gab es eine Überraschung, denn der spanische Konsul ließ eine Abordnung von unserer Gruppe zu sich kommen und teilte uns mit, dass er sich entschlossen habe für alle zusammen einen Sammelpass auszustellen, wir also alle fahren würden! Wir sollten nun gleich alle ein Passfoto abgeben und uns die Passagen auf dem Schifffahrtsbüro abholen, anderen Tags sollten wir den Sammelpass bekommen und dann uns einschiffen.

Wir konnten nun nicht schnell genug das Konsulat verlassen, um den anderen die Botschaft zu überbringen. Dann wurden schnell die Fotos gesammelt, einige die keine hatten ließen sich schnell noch fotografieren und dann wurden die Bilder aufs Konsulat gebracht. Der nächste Weg war zum Büro der Cia. Transmediterranea, wo uns die Passagen ausgehändigt wurden. Ein anderer Kollege und ich bekamen unsere schon vorbestellten und der Rest erhielt dritter Klasse Billets, die das Konsulat erst mal bezahlte. Man kann sich denken in was für gehobener Stimmung wir uns alle befanden, acht Mann die wir waren, sollten wir doch nur

noch einen Tag in Genua sein und dann die endgültige Heimreise antreten! Mit unseren Billets in der Tasche und voll schöner Gefühle, gingen wir in unsere Pension und taten einen wunderbaren Schlaf. Anderen Tags ging es alle Karin hoch aufs Konsulat, wo uns der Konsul in eigener Person empfing, mit uns sprach und uns unseren Sammelpass überreichte. Er erklärte uns, er wüsste nur zu gut, dass das was er tat, nicht zulässig sei, aber da er wüsste, dass wir mir alle zu unseren Familien zurückkehren wollten und nichts verbrochen hatten, hätte er das getan, aber er betonte, dies sei auch alles was er für uns tun könne, wenn neue Schwierigkeiten kämen, müssten wir selber sehen wie uns helfen, insbesondere beim Einschiffen morgen früh. Er reichte uns dann noch allen freundlich die Hand und wir waren entlassen.

Der Tag verging uns allen zu langsam und am Abend machten wir ein kleines intimes Fest, indem wir uns Wein und belegte Brötchen kauften und in unserem Zimmer ein kleines Abschiedstrinkgelage veranstalteten. Mehr oder weniger benebelt gingen wir dann in unsere Betten und mir war dazu noch reichlich unwohl, den ungewohnten Genuss des Weins musste ich das wohl zuschreiben. Am anderen Morgen wurde sehr früh aufgestanden und nach großer Säuberung und Rasur, ging es mit unseren wenigen Sachen bewaffnet noch einmal zum Frühstück und sehr schnell dann zum Hafen. Wir wollten uns sehr bald einschiffen, um an Bord geborgen zu sein.

Aber es dürfte bekannt sein, dass nicht immer alles so geht, wie man es sich ausdenkt und bei uns wurde es sehr anders, als wir gedacht und so sehr gehofft hatten. Unsere große Freude und Siegeszuversicht, wandelte sich in eine nur denkbar größte Enttäuschung um, im Verlauf von nicht einmal zwei Stunden.

Wir hatten uns alle beim Eingang der Passstelle gesammelt und nun alle auf einem Haufen in diese Stelle hinein, um unsere Ausreise abstempeln zu lassen, einer von uns hatte den Sammelpass in der Hand und gab ihn bei einem Beamten ab. Der studierte den Wisch gut und gab ihm dann an einen anderen weiter, der uns alle näher rief. Der Reihenfolge nach, wie wir auf dem Pass standen, wurden wir ausgefragt, vor allem wollte der Beamte wissen, woher wir kämen und wie wir nach Italien gekommen seien und bei diesem Verhör kamen die unmöglichsten Antworten heraus, jedenfalls hätte kein Mensch ihnen Glauben schenken können. Was einige gut machten, warfen die anderen mit ihrer Antwort über den Haufen und mancher verstrickte sich sogar so in Wiedersprüche, er nachher überhaupt nicht mehr wusste, was er gesagt hatte.

Zur Entschuldigung aller Beteiligten, muss gesagt werben, dass wir auf ein richtiggehendes Verhör wirklich nicht vorbereitet waren, wir hatten vielmehr damit gerechnet, dass es keinerlei Schwierigkeiten mehr geben würde. Nach dem Ausfragen, wollte man Personalpapiere von jedem sehen und damit war es bei fast allen sehr schlecht bestellt, wer sehr gute hatte, der hatte einen Fremdenpass wie ich oder einen ähnlichen Wisch, aber viele hatten als Ausweis nur einen Entlassungsschein der amerikanischen oder englischen Entlassungsstellen aus der Kriegsgefangenschaft und das Mädchen die bei uns war hatte nur einen deutschen Pass. So zeigten denn nur wenige ihre Wische vor und die anderen behaupteten, sie hätten keine Papiere.

Es wäre aber auch alles einerlei gewesen, denn wir hörten die Italiener schon von den ‚tedescos' (deutschen) sprechen und mussten sehr annehmen, dass damit wir gemeint waren. Nach einer Weile, wurden wir sehr unfreundlich aus dem Zimmer gewiesen und man sagte uns wir sollten draußen warten, man müsse erst sehr untersuchen, ob wir fahren dürften. Nun standen wir da und warteten und nach einiger Zeit teilte man uns mit, dass unsere Papiere völlig unzureichend seien und wir nicht die Erlaubnis bekämen, uns einzuschiffen. Diese Mitteilung wirkte auf uns wie ein Schlag, alle Hoffnung, und die war sehr groß gewesen, war mit einem Male und durch wenige Worte ganz umgeworfen und zerstört! Trotzdem fingen wir an uns zu regen, wir pochten auf den Sammelpass des Konsulates, auf unsere Einreiseerlaubnis nach Spanien und schließlich wandten wir uns an einen Sekretär des Konsulates, der am Hafen war, fragten ihn, ob er uns nicht beistehen könne. Der Mann ging auch zur Passstelle und redete für uns, brachte die Italiener auch dazu, dass sie nähere Befehle von höherer Stelle sich einholten, aber diese Befehle lauteten, dass wir erst mal warten sollten, es würde ein Offizier der englischen Armee kommen, um den Fall zu prüfen und zu entscheiden, ob wir uns einschiffen könnten oder nicht.

Inzwischen verging die Zeit und es wurde neun Uhr und halb Zehn und das Schiff sollte um 10 Uhr auslaufen, also in einer halben Stunde und immer noch war der englische Offizier nicht erschienen.

Endlich, um viertel vor zehn, kam der Mann und wir wurden alle in ein Zimmer geschafft, wo nun noch mal ein Verhör angestellt wurde und zwar von dem Offizier, der perfekt spanisch sprach und spanischer Abstammung war. Wir hatten nun untereinander ausgemacht, dass wir sagen wollten, dass wir aus Deutschland kamen, auch ruhig zugeben, dass wir deutscher Abstammung seien, aber dazu wollten wir erklären, wir seien naturalisierte Spanier und hätten alle unseren Familien in Spanien, zu denen wir wollten. Der Engländer war äußerst freundlich zu uns, ja so freundlich, dass er, es war mittlerweile fast zehn Uhr geworden, beim Kapitän des Schiffes anfragen ließ, ob das Schiff noch etwas mit dem Auslaufen warten könne, er hoffe, die Sache regeln zu können.

Und der Kapitän, der auch die Sache erfahren hatte und ganz auf unserer Seite zu stehen schien, wartete und unsere Hoffnung stieg wieder, denn es war ja nur wegen uns und der Dampfer würde nicht seine Auslaufzeit ändern, wenn nicht die Hoffnung bestünde, dass wir noch mitfahren sollten. Der Engländer machte nun nicht mehr lange Sachen und er erklärte den Italienern, dass seitens der Besatzungsbehörden keine Gründe da seien, weswegen wir nicht fahren dürften.

Aber es klappte doch nicht, der Offizier selten doch nicht volle Befehlsgewalt zu haben und der italienische Chef der Passstelle weigerte sich, uns die Ausreise zu geben. Nun gab es ein längeres hin und her und der Kapitän des Schiffes wurde unruhig und gab das erste Sirenensignal, um die Abfahrt des Schiffes anzukündigen.

Ich muss sagen, dieses Tuten, war das schrecklichste Geräusch, dass ich jemals gehört habe und ich war so nervös und wütend, dass ich losgebrüllt hätte, wenn ich nicht noch so viel Vernunft gehabt hätte, zu überlegen, dass ich damit nur Unheil gestiftet hätte.

Und nun, ich will es kurz machen, der Offizier konnte nichts erreichen, der Italiener musste ihm über sein, denn einem Offizier des Schiffes wurde gesagt sie sollten auslaufen, wir würden uns nicht mehr einschiffen, sondern erst mal am Hafen in Verwahrsam genommen werden. Das Schiff ließ noch einmal ein Abfahrtssignal ertönen und löste denn seine Vertäuung. Wenige Minuten später dampfte es zum Hafen hinaus.

Von uns acht Leuten sagte keiner etwas, wir waren zu erschlagen. der englische Offizier sagte uns es täte ihm furchtbar Leid, aber er hätte nichts mehr machen können und verschwand dann und die Italiener ließen uns gar nichts sagen, sondern brachten uns in ein Zimmer und sperrten uns da ein, stellten uns sogar einen bewaffneten Posten vor die Tür. Als einzige Erklärung sagte man uns, man würde sich mit den höheren Besatzungsbehörden in Verbindung setzen und wir erführen dann schon das Weitere.

Der Tag dauerte lange, es wurde Mittag und niemand erschien, etwas zu essen wurde uns mich nicht gegeben, so dass unsere einzige Beschäftigung darin bestand, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen und sonst zu warten. Auch Nachmittag wurde es und nichts rührte sich, es schien bald so, als hätte man uns völlig vergessen. Endlich, es war wohl gegen sechs Uhr und fing schon an zu dämmern, passierte etwas und zwar passierte es denn gleich richtig, denn was vorher die Ruhe selbst gewesen war in dem Gebäude, wurde jetzt die losgelassene Teufelschar. Wir hörten vom Gang her ein wüstes Gerede und Geschimpfe, dass immer mehr in die Nähe unserer sogenannten Zelle kamen und schließlich vor unserer Tür orkanartig anwuchs. Es war ein tolles Durcheinander von italienisch und englisch. Endlich legte sich die Redeflut etwas und unsere Tür wurde geöffnet and hereinspaziert kamen drei oder vier Herren, einer der italienische Hafenbefehlshaber, auf dessen Order hin wir eingesperrt worden waren und zwei andere schienen Amerikaner oder Engländer zu sein, wir konnten es zunächst nicht unterscheiden, denn sie waren in zivil. Bald aber erfuhren wir, dass der eine ein höherer Befehlshaber der amerikanischen Besatzungstruppen sei, der ziemliche Machtbefugnis hatte, was alleine daraus hervorging, dass er den Italiener vollkommen herunterputzte. Er sprach englisch und sein Begleiter übersetzte und aus der italienischen Übersetzung konnten wir herausverstehen, dass der Amerikaner vom Italiener Rechenschaft darüber forderte, weshalb wir acht Leutchen festgehalten worden waren, da wir doch den Sammelpass des spanischen Konsulates hätten. Der Italiener antwortete allerlei, aber der andere ließ sich nicht überzeugen uns wandte sich schließlich ab und uns zu. Er sagte uns es täte ihm sehr leid, dass wir durch ein Missverständnis der italienischen Behörden aufgehalten worden seien und er versprach uns, dass es für nächsten Mittwoch kein Hindernis für unsere Reise vorhanden sei, wir auf jeden Fall fahren könnten! Was das ganze Theater bedeuten sollte, wussten wir alle nicht, auch waren wir zu sehr enttäuscht worden, um gleich erfassen zu können, dass nun wieder alles in Ordnung kommen sollte. Der amerikanische Offizier fragte uns nun, ob wir ein Unterkommen hätten und ob wir die eine Woche bis zum nächsten Schiff auch in Bezug auf Verpflegung keine Schwierigkeiten hätten, ob das Konsulat uns gut unterstützte. Wenn wir auch nicht ganz die Wahrheit sagten, so erklärten wir doch da hätte es keine Schwierigkeiten, das spanische Konsulat würde für uns aufkommen.

Ich bin ja überzeugt, dass der Amerikaner genau wusste, dass mit uns nicht alles im Reinen sei, aber er kümmerte sich nur um den Pass, der ihm völlig zureichend erschien. Er wandte sich noch einmal an die Italiener und erklärte ihnen, dass wir an nächsten Mittwoch fahren würden, uns also keine Schwierigkeiten zu machen seien und dann fragte er wo wir wohnten, er wies an in zwei Fuhren mit seinem Auto hin bringen. So geschah es dann auch. In einen tollen Wagen, echt amerikanischer Natur, wurden wir in die Pension Ferro gebracht, wo uns der Begleiter des Amerikaners noch seinen morgigen Besuch ankündigte und wir sodann wieder unserem Schicksal überlassen blieben. Alleine, versuchten wir zuerst uns dieses Wunder zu erklären, aber wir wussten nicht, was dazu zu sagen, es kam uns zu komisch vor. Sodann wurde unser Vertrag mit Herrn Ferro noch um eine Woche verlängert und dann gingen wir in unser Kojen, die wieder in verschiedenen Häusern waren.

Am anderen Morgen kam nach dem Frühstück der Besucher und sagte uns, wir müssten alle zum Büro des amerikanischen Geheimdienstes, um eine Art Erklärung abzugeben. Was das nun wieder zu bedeuten hatte, war uns durchaus nicht klar, aber es blieb uns nichts anderes übrig, als zu tun wie uns geheißen wurde und im übrigen nahmen wir uns vor, so dienlich die Wahrheit zu sagen, nur weiter darauf zu beharren, dass wir Spanier seien, ob man es uns glaubte oder nicht. Zuerst fuhren vier von uns mit dem Wagen zu diesem Büro hin und als sie zurückkamen, gingen die anderen vier zu Fuß hin.

Man wollte allerhand von uns wissen, was wir wären, wieso wir nach Deutschland gekommen seien, warum wir nicht in Spanien geblieben seien, usw., usw. Wir sagten nun alles. Ich erklärte, dass ich zum Militärdienst nach Deutschland gekommen sei, allerdings sagte ich nicht, dass ich als Offiziersbewerber der Kriegsmarine und auch nicht, dass freiwillig, sondern das wir alle gemusst hätten, ob wir wollten oder nicht, denn wir deutscher Abstammung seien, hätte man uns als Deutsche erklärt. Wie dem auch sei, es kam bei unserer Erzählung ein ziemliches Zeug zusammen, das kaum glaubhaft war, aber man zweifelte an unserer spanischen Staatsangehörigkeit überhaupt nicht und interessierte sich auch nicht besonders für unsere Tätigkeit in den verschiedensten Wehrmachtteilen. All unsere Aussagen wurden aufgeschrieben, aber man verlangte nicht von uns, dass wir sie durch Unterschrift oder so bestätigten, so dass sie keinerlei Wert haben können. Ich glaube allen Ernstes, dass die Amerikaner uns bloß los sein wollten und das Ganze lediglich dazu dienen sollte, die Italiener etwas zu beruhigen, aber ganz sicher wussten wir gar nichts. Nachdem wir alle unsere Aussagen gemacht hatten, wurden wir entlassen und man versprach unsere Papiere, die uns seinerzeit von den Italienern abgenommen worden waren, beim spanischen Konsulat abzugeben, wo wir sie uns abholen könnten.

Unser erster Gang war nun auf das Schifffahrtsbüro, wo wir als erstes unsere unfreiwillig verfallenen Passagen auf den nächsten Mittwoch umschreiben ließen, was auch anstandslos gemacht wurde. Dann gingen einige von uns auf das Konsulat um sich nach der Lage zu erkundigen und eventuell die Papiere zu holen. Diese waren aber noch nicht da und so mussten wir erst mal unverrichteter Dinge abziehen. Nun mussten wir noch eine ganze Woche lang uns in Genua langweilen, denn viel unternehmen konnten wir nicht, einmal weil wir kein Geld hatten und dann, weil wir nicht allzu sehr durch großes Herumlaufen auffallen wollten. Einmal aber gingen wir doch los und ans Meer und da so herrliches Wetter war verfielen wir auf die Idee ein Bad zu nehmen. Lange wurde auch nicht überlegt und so suchten wir uns eine etwas versteckte Stelle in den Felsen aus, denn da keiner von uns eine Badehose hatte, konnten wir nur in belebteren Gegenden nicht gut blicken lassen. Wir zogen uns nun aus und in Turnhose, wer eine hatte, sonst in Unterhose oder ohne etwas an, tummelten wir uns bald in den Fluten. Das Wetter war herrlich und das Wasser spiegelklar und so war es eine wahre Lust so zwischen den Felsen herumzuschwimmen. Über unseren Spaß hätten wir beinahe vergessen, wo wir waren und der Erfolg unseres Bades war, dass wir viel zu spät zum Mittagessen kamen und unsere Suppe und das Gericht kalt und steif geworden verspeisen mussten. Trotzdem schmeckte es, denn wir hatten uns einen herrlichen Hunger angefressen. Sonst taten wir nicht weiter viel, nur die Glücklichen, die noch etwas Geld hatten, konnten ab und zu ins Kino gehen, aber zu denen gehörte ich nicht mehr denn vor der erhofften ersten Abreise hatte ich mir noch einige Dinge gekauft, um nicht unnötigerweise Lire mit nach Spanien mitzunehmen.

Aber auch so vergingen die Tage, wenn auch etwas langweilig. Bis zum Sonntag geschah nichts, wir erhielten unsere Papiere noch immer nicht, wurden aber sonst in keiner Weise belästigt. Am Montag endlich besserte sich die Laune. Wir wanderten gleich um neun Uhr ins Konsulat und der Konsul empfing unsere Abordnung, teilte uns mit, dass ihn von den Alliierten Militärbehörden unsere Papiere ausgehändigt worden seien und zu unserem Erstaunen fragte der Gute uns, was er damit machen solle.

Wir nicht faul, erklärten ihm, er solle sie uns nur ruhig geben, wir hätten von den Amerikanern die Versicherung erhalten, dass wir Mittwoch fahren könnten. Und er gab uns die Ausweise und den Sammelpass auch wieder und erklärte nur, er könne nichts machen, wenn am Mittwoch wieder etwas schief ginge. Sonst sagte er mir persönlich noch, das vom spanischen Auswärtigen Amt ein Telegramm eingetroffen sei, in dem stände, dass mir die Einreiseerlaubnis zu erteilen sei, dies hätte er ja bereits für alle getan.

Wir zogen nun los und wollten dass Konsulat nun nicht weiter belästigen, denn wir hofften diese keine Schwierigkeiten zu haben und waren zufrieden, unsere Papiere wieder in Händen zu haben.

Beim Mittagstisch gab es nun aber nochmals eine kleine Überraschung, denn es klingelte und hereinspaziert kamen noch mal drei Leute aus Mittenwald, zwei Brüder und ein Freund von ihnen. Sie erzählten uns, sie seien auf dem Konsulat gewesen, kurz nachdem wir es verlassen hatten und der Kanzler und der Konsul seien sehr unfreundlich gewesen, sie hätten erklärt, nun würden sie niemandem mehr helfen, der nicht richtige Papiere und Belege über seine Staatsangehörigkeit hätte.

Nur die Pension Ferro hätte man ihnen angewiesen und ihnen anheim gestellt, so zu handeln wie wir anderen, also auf Kredit dort unterzukommen. Nun, die Leutchen sprachen mit dem Herrn Ferro und der nahm sie auch noch auf. So waren wir nun elf Leute an dem Tisch versammelt, acht die in zwei Tagen reisen würden, und drei, die noch viel Theater vor sich hatten.

Wir dachten nun eigentlich, vier wären genug, aber andere waren nicht derselben Meinung, denn am Nachmittag bekamen wir noch mehr Zuwachs, es erschienen noch mal drei Leute aus Mittenwald, alle uns gut bekannt, diesmal zwei richtige vollblütige Spanier und dann einer der wie wir war, der Oberleutnant in der Kriegsmarine gewesen war.

Die drei gingen nun sogleich aufs Konsulat und die zwei Spanier hatten Glück, denn sie erhielten sofort die Einreise in ihre Papiere gestempelt und konnten sich für Mittwoch die Passagen abholen, der andere dagegen, musste warten.

Wenn nun also alles glatt ging, würden wir 10 Mann hoch die Reise antreten. Mit den zwei Spaniern zusammen gingen wir alle acht am selben Nachmittag des Montags noch auf die Schifffahrtsgesellschaft und bekamen unsere Passagen ausgehändigt, die ja vorher schon umgeschrieben worden waren. Nun hatten wir wieder alles in der Hand und konnten nur hoffen.

Beim Heimweg vom Schifffahrtsbüro passierte mir aber noch eine nette Sache, die ich noch aufschreiben will, ich traf nämlich jemanden, den ich am liebsten umgebracht hätte und der schließlich als elfter Mann noch mit uns die Reise antreten sollte. Ich wurde plötzlich von hinten angestoßen und drehte mich um und traute meinen Augen nicht, vor mir stand unser sogenannter Führer und, besser charakterisiert, der Dieb von Heika's und meinem Gepäck, unser guter Miguel.

Ich gedachte nun meine ganze Wut an ihm auszulassen, die ich nicht losgeworden war, aber ehe ich zu Wort kam, fing der Mensch an zu reden und zu reden und wollte mir partout klarmachen, dass er nicht schuldig sei und dass er nicht die Absicht gehabt hätte, unser Gepäck zu klauen und uns davonzulaufen. Er hätte allerdings das Gepäck geholt und wollte dann zu uns zurückkommen, aber da hätte er zwei Spanier getroffen, ehemalige Gefährten aus Frankreich, mit denen er vieles unternommen gehabt hatte und die hatten ihn bedroht und ihm schließlich das ganze Gepäck abgenommen. Er flehte mich beinahe an, ich sollte ihm das glauben, es sei sicher wahr, usw. usw.

nun, glauben konnte ich bei aller besten Willen nichts, aber auch gar nichts von der ganzen Erzählung, aber der Kerl tat mir irgendwie doch Leid und im übrigen, hatte er nichts mehr von, unseren Sachen, weder meinen Mantel, noch meine Stiefel, noch seine Uhr, noch sonst einen Gegenstand, der in unserem Gepäck gewesen war, nicht einmal Geld hatte der elende Wicht, weiß der Teufel, was er mit den ganzen Dingen gemacht hat, am Ende war er vielleicht doch noch so dumm wie wir und hat es sich selber bei einer Gelegenheit klauen lassen oder aber er hat es verspielt oder versoffen. Also, ich sagte ihm nur er solle mir bloß nicht wieder unter die Augen treten, wir seien ja wohl restlos fertig miteinander und obwohl er dann noch mit unserer Gruppe auf dem Schiff nach Spaniel fuhr, hat er mich nie wieder angesprochen und sich möglichst auf meiner Nähe verdrückt. Wie dem auch sei, diese Episode war für mich zu Ende.

Es rückte nun der Dienstag heran und an Nachmittag machten wir doch noch einmal eine kleine Abschiedsfeier, allerdings nur recht harmlos, denn einmal wollten wir nicht wieder uns einen antrinken und dann wollten wir vielleicht auch durch zu großes Feiern, die bösen Geister wieder reizen.

So beendeten wir diesem Tag, doch der letzte in Genua sein sollte. Früh um sechs waren wir schon auf, einmal um alles vorzubereiten und dann, weil wir sowieso nicht mehr schlafen konnten, denn sehr ruhig waren wir alle nicht. Um sieben Uhr etwa, waren wir in der Pension Ferro zum Frühstück versammelt und hörten dort noch, dass der gute Herr Ferro auch noch mit uns nach Spanien fahren wolle, angeblich, um seine Frau zu besuchen, ich nehme aber vielmehr an, dass er Angst um sein Geld hatte und es gleich in Barcelona kassieren wollte. Allerdings verbrauchte er seinen Verdienst durch die Reise wieder auf, aber das konnte uns ja einerlei sein, denn so oder so, hatte er seine Peseten bekommen.

Eben nach acht Uhr waren wir am Hafen, wo wir als erstes gleich unsere wenigen Habseligkeiten untersuchen ließen, was bei allen sehr rasch ging, denn nur das Mädel hatte einen größeren Koffer, sonst wir anderen im besten Falle einen Rucksack oder eine Aktentasche. Um halb neun gingen wir dann zur Passstelle, alle doch mit etwas zitterndem Herzen, aber es passierte nichts, rein gar nichts.

Der gleiche Beamte von vorigen Mal, nahm uns den Sammelpass ab, und sagte er nur noch mal einem anderen: "Die können doch diesmal fahren?", worauf ein "Ja" erfolgte, dann der Stempel mit "Uscita", zu deutsch Ausreise, auf den Pass gedrückt wurde und dann waren wir entlassen, duften von den Italienern aus an Bord gehen. Wir liefen uns nun wirklich nicht sehr lange drängen, sondern gingen gleich los und standen nun vor dem Laufsteg, der aufs Schiff führte.

Dort war nun noch einmal eine Kontrolle, diesmal war es ein spanischer Beamter, der als Bordpolizei des Schiffes mitfuhr. Der nahm den Pass und rief nun jeden auf, verglich das Foto mit seiner Person und ließ uns dann einzeln an Bord, hier wurden wir dann gleich manierlich wie Menschen behandelt, ein Steward kam auf uns zu und erbat die Billets, wies dann jedem seine Richtung an, denn wir teilten uns vorerst in drei

Gruppen, einer hatte eine Passage erster Klasse, ich eine zweiter und der Rest fuhr als Zwischendeckpassagiere. Allerdings bestand der einzige Vorteil für uns zwei Großkapitalisten darin, dass wir in einem besseren Raum unser Essen bekamen, das auch besserer Qualität war und konnten einen Salon betreten, den die anderen nicht benutzen durften. Ansonsten war die Lage für uns alle die gleiche, denn eine Koje gab es für niemanden, wir mussten alle irgendwie an Deck schlafen, aber es war nur eine Nacht und auch wenn es zwei oder zehn gewesen wären, wir waren so selig, dass es uns recht einerlei gewesen wäre.

Zuerst hatten wir vorgehabt, im inneren des Schiffes zu verschwinden, aber dann fühlten wir uns so sicher, dass wir herumliefen und uns den Hafen und alle Leute ansahen, wir waren ja auf spanischem Boden und konnten so ohne weiteres nicht wieder heruntergeholt werden.

Um halb zehn tutete der Dampfer zum ersten Mal, als Zeichen der baldigen Abfahrt und dies Signal, das letzten Mittwoch ein Zeichen gewesen war, das uns erschüttert hatte und unsere Nervosität und Wut entfachte, wurde diesmal mit größter Freude begrüßt, denn es sagte uns sehr vieles. Und die letzte halbe Stunde verging auch, noch einmal brüllte die Sirene und dann hörte man die Kommandos, zum losmachen der Leinen und Trosse.

Ohne Schlepperhilfe, denn das Schiff war nicht groß, dampften wir wenige Minuten später aus dem Hafen, jede Schraubenumdrehung brachte uns weiter auf die See hinaus und der Heimat näher. Und trotzdem standen wir nicht am Bug des Schiffes, sondern am Heck und schauten zurück in das Land das wir eben verlassen hatten, denn wenn wir auch mit größter Freude vorwärts schauten, so mussten wir doch erst mal daran zurückdenken an das was hinter uns lag. Nicht von Italien sprachen wir, aber von Deutschland, denn wenn wir unser Vaterland auch freiwillig verlassen hatten, so hatten wir es doch nicht getan aus Ärger über das Land oder weil wir uns dort nicht zu Hause gefühlt hätten, sondern weil wir unsere Heimat durchweg in Spanien bei unseren Eltern hatten und weil wir im Vaterland nichts mehr nutzen konnten, denn der Zweck, der uns nach Deutschland geführt hatte, war nicht mehr, unser Ziel hatten wir nicht erreicht.

Aber das Leben geht weiter, bald waren wir mehr als nur guter Dinge und die Vorfreude auf des Kommende war gar zu schön.

Eine halbe Stunde nach Auslaufen, wurde zum Essen gerufen, erst kamen die Zwischendeckpassagiere dran, dann die zweite Klasse, während die Großkapitalisten alleine und in besonderem Raume speisten.

Das essen schmeckte gut, ja es schmeckte herrlich, denn es war spanische Küche und nach dem Essen gab es spanische Frucht, all das, was wir recht lange entbehrt hatten. Wir waren mit unserem Schicksal sehr zufrieden. Nach dem Essen mussten wir alle zum Bordpolizisten gehen, um einige Papiere für die Einreise auszufüllen und dies Geschäft war kaum beendet, als ein Kellner zu mir kam und mich bat zum ersten Offizier auf die Brücke zu kommen. Ich war natürlich sehr erstaunt, denn wie sollte ich ahnen, dass ich an Bord einen so guten Bekannten hatte. Ich machte mich also auf und stand gleich vor dem Offizier, der mich im Namen meiner Tante Margarita aus Barcelona herzlichst begrüßte und mir sagte, er hätte Briefe und Geld für mich, das ihm von der Tante anvertraut worden sei, er riete mir aber das Geld vorläufig ihm zu lassen, mit Ausnahme einer kleineren Summe für Ausgaben an Bord, da ich beim an Land gehen Scherereien haben könnte, es sei nämlich verboten größere Mengen Geld bei sich zu tragen. Ich war es natürlich zufrieden und nahm meine Post und 100 Ptas, in Empfang. Der Offizier fragte mich dann noch, ob ich eine Kabine hätte und als ich ihm erklärte ich hätte keine, bot er mir Decken und Kissen und einen Liegestuhl an, damit ich die Nacht gut verbringen könne. Dann ging ich und las erst mal in meinem stillen Eckchen meine Post und anschließend machte ich mich auf zur Bar und kaufte mir, denn ich fühlte mich ungeheuer reich, erst mal Zigaretten und genehmigte mir mit einigen Kameraden zusammen einen herrlichen Kaffee.

Diese, meins letzte Seefahrt, wurde wirklich schön und wenn meine Laufbahn auf dem Meer auch einen recht traurigen Abschluss gefunden hatte, so habe ich doch wenigstens recht viel erlebt, manches war unschön aber, aber auch viel Schönes.

Wir hatten beim Auslaufen in Genua nur leichte Dünung, aber der Wind nahm im Laufe des Tages zu und gegen Abend schaukelte unser Schiff ganz schön und die Matrosen sagten, es würde noch eine sehr bewegte Fahrt werden. Es war schon sehr spät, als wir uns zur Ruhe legten, alle hatten etwas gefunden, die meisten schliefen auf einem Lehnstuhl, andere nahmen wenigstens Segeltuchsäcke als Unterlage.

Nun wurde bei den meisten nicht viel mit Schlafen, denn die Matrosen behielten recht und der Kahn ging tüchtig an zu torkeln, was zum Erfolg hatte, dass fast niemand schlief und die meisten konnten nicht einmal in ihren Stühlen bleiben, sie zogen es vor an die Reling zu gehen und auf das Wasser zu ..... schauen.

Aber rauch diese Nacht ging vorbei und am anderen Morgen schmeckte mir das Frühstück ganz besonders gut, denn ich hatte reichlich Esswaren, da kaum jemand zu Tisch kam. Auch zum Mittagessen erschien kaum jemand und denen die kamen war es gerade recht so. Wenn man durch das Schiff ging, sah man überall gelbe Gesichter und in den Gängen roch es sehr verdächtig und wenig schön, so dass ich es vorzog, an Deck zu bleiben.

Wir sollten etwa um fünf oder halb sechs in Barcelona einlaufen, aber es wurde fünf und erst kurz vorher war die spanische Küste in Sicht gekommen und man sagte, es würde wohl sieben werden, bis zum Einlaufen. Nun, mich brachte das nicht weiter aus der Fassung, denn zwei Stunden länger fuhr ich gerne zur See. Ab halb sechs Uhr, fuhren wir ganz dicht an der Küste, der "Costa Brava" entlang und ich hatte viel Spaß, denn ich beschaute mir vom Meer aus Gegenden, in denen ich schon gewesen war und die ich genau wiedererkannte.

So dicht an der Küste fahrend, schaukelte unser Pott nicht mehr so toll und mit der Zeit wagten sich fast alle Passagiere an Deck, denn die im Sonnenschein liegende Küste bot ein zu schönes Bild, als dass man es sich hätte entgehen lassen können. Nun standen wir Heimkehrer allerdings nicht mehr am Heck, sondern so weit vorne wie nur möglich, zusammen mit einem Matrosen, der auf etwaige Treibminen achten sollte. Und außerdem wurden wir so langsam alle kribbelig, denn in kurzer Zeit sollten wie in Spanien sein, in Barcelona einlaufen, was gleichbedeutend war mit zu Hause.

Und nun sahen wir endlich die Hafeneinfahrt von Barcelona aus dem Dunst, der über der Stadt lag auftauchen, die lange Mole, die sich weit hinauszieht, in einer Stunde würden wir festmachen!

Diese letzte Stunde Fahrt war sehr schön und voller herrlichen Vorgefühls und doch etwas unruhig, denn ich konnte es gar nicht erwarten, endlich an Land zu kommen und mich ganz zu Hause zu fühlen, endlich geborgen und nicht mehr fürchten zu müssen, dass einen die Polizei am Wickel kriegt, wie wir es allesamt die letzte Zeit über zu fürchten hatten.

Endlich liefen wir um die Mole herum, die leichte Dünung begleitete uns noch ein Stück und dann im Fahrwasser des Hafens, rauschten wir ganz langsam und ruhig weiter. Je weiter wir in den Hafen einliefen, desto langsamer wurde die Fahrt und endlich, gegenüber der Anlegestelle, stoppten wir, um von zwei kleinen Schleppern an den Kai lotsten zu lassen. Schon von ziemlicher Entfernung sahen wir an Land bei unserer Anlegestelle viele wartende Menschen stehen, und obwohl ich annahm, dass ich gerade diesen Mittwoch nicht erwartet werden würde, hoffte ich doch im Stillen, dass unter den Wartenden auch jemand für mich stand, von meiner Barceloneser Familie. Näher und näher rückten wir unserem platz und meine suchenden Augen überschauten die Menge nach bekannten Gesichtern und plötzlich sah ich meine Tante Margarita mit einer meiner Cousinen stehen, die vom Lande aus versuchten, an Bord die Leute zu erkennen. Wie ein Wilder begann ich zu winken, um ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, aber da ich nicht der einzige war der winkte, hatte das vorerst keinen Erfolg. Endlich aber, wir hatten schon fast angelegt, sah mich meine Cousine Rosemarie genau an und schien mich zu erkennen, denn sie machte ihre Mutter auf mich aufmerksam und diese schaute auch genau und machte mit dem Kopf eine verneinende Bewegung, auf die ich mit einem heftigen Kopfnicken antwortete. Nun, dieses neckische Spiel dauerte eine ganze Weile, aber endlich hatten sie sich doch überzeugt und waren sich einig.

Endlich legten wir an und der Kahn wurde festgemacht und die Passagiere wurden gebeten ihre Papiere bereit zu halten für die Revision. Uns von der Gruppe erklärte man, wir müssten aus begreiflichen Gründen noch warten und die anderen müssten erst abgefertigt werden. So wurde denn unsere geduld noch weiter auf die Probe gestellt. Ich verbrachte die zeit damit, mich von Bord aus mit meiner Familie zu unterhalten und es ist geradezu erstaunlich, welche Dummheiten man so redet, denn ein vernünftiges Wort oder eine manierliche Frage brachte keiner von uns heraus, nur reichlich unbedeutende Erklärungen wurden abgegeben.

Eben nach sechs Uhr hatten wir angelegt und erst um halb acht Uhr waren die anderen wie Passagiere von Bord und wir konnten in den Salon, um uns abfertigen zu lassen und an Land zu gehen.



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